WhatsApp Mobbing unter Schülern Persönlichkeitsrecht

WhatsApp Mobbing unter Schülern

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Fiese Beleidigungen, diffamierende Bloßstellungen und ungezügelte verbale Angriffe auf Mitschüler im WhatsApp-Chat sind alles andere als Bagatelle. Dennoch sinkt die Hemmschwelle und Schüler attackieren ihre Klassenkameraden in einer Art und Weise, die noch vor Jahren undenkbar war.

Mobbing in der Schule und WhatsApp

Anfang 2019 schockiert eine Nachricht ganz Deutschland: Laut übereinstimmenden Medienberichten habe eine 11-jährige Schülerin in Berlin einen Suizidversuch begangen, an dessen Folgen sie später im Krankenhaus gestorben sein soll.

Als potentieller Hintergrund des tragischen Todes wird mal wieder ein Mobbing-Verdacht an der Schule des Mädchens genannt. Elternvertreter jedenfalls werfen der in Rede stehenden Schule vor, Hinweisen auf Mobbing nicht ernsthaft und entscheidend nachgegangen zu sein.

Eine offizielle Bestätigung steht zum jetzigen Zeitpunkt (Stand: 16.04.2019) zwar sowohl für den Suizid, als auch für die genauen Hintergründe noch aus. Dennoch: Es ist gewiss nicht das erste Mal, dass Mobbing und Beleidigungen unter Jugendlichen in den Schlagzeilen stehen. Immer häufiger geschieht dies im Zusammenhang mit WhatsApp. Doch warum ist gerade diese Plattform so anfällig für Mobbing? Was droht den Tätern? Und was können betroffene Kinder und ihre Eltern tun?

Mobbing und seine Erscheinungsformen

Mobbing bedeutet umgangssprachlich, andere Menschen ständig bzw. wiederholt und regelmäßig zu schikanieren, zu quälen und seelisch zu verletzen. Typische Mobbinghandlungen wie Hänseleien, Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen oder Gewaltandrohung können beispielsweise in der Schule, am Arbeitsplatz, in der Familie, im Sportverein und im Internet beobachtet werden.

Bei letzterem wird vom Cyber-Mobbing gesprochen. Die „Vorteile“ dieser speziellen Art der Diffamierung sind – gerade in Abgrenzung zum traditionellen Mobbing – offensichtlich: Aus Sicht des Täters ist das ausgewählte Opfer ständig erreichbar, zu jeder Tages- und Nachtzeit.

Im Gegensatz zur persönlichen Auseinandersetzung sind dementsprechend auch die Ausweichmöglichkeiten des Betroffenen geringer. Vor Cyber-Mobbing kann das Opfer schlicht nicht weglaufen. Wissenschaftliche Studien haben ergeben, dass mittlerweile in Deutschland etwa jeder fünfte Jugendliche beteiligt ist, entweder als Täter, als Opfer oder als sogenannten Täteropfer. Diese Zahlen decken sich auch mit der weltweiten Betroffenheit.

Besonders im Umfeld von Jugendlichen ist es jedoch elementar, das einschlägige Cyber-Mobbing von kind- und jugendtypischen Äußerungen abzugrenzen. So hat bereits das Landgericht Memmingen mit Urteil vom 03.02.2015 zum Aktenzeichen 21 O 1761/13 festgestellt, dass Verletzungen des Persönlichkeitsrechts unter Kindern nicht uneingeschränkt nach den für Volljährigen geltenden Maßstäben beurteilt werden können.

Unter Kindern sei der Gebrauch von Schimpfwörtern oder von Formulierungen, die strafrechtlich als Beleidigungen einzuordnen sind, oft üblich. Sie seien in gewissem Umfang Teil einer jugendtümlichen Sprache und geprägt auch von einem noch kindlichen bzw. jugendtypischen Verhalten, in dem sich häufig eine gewisse Sorglosigkeit der Äußerungen offenbare. Schließlich werde Kindern, so das Gericht, auch die Bedeutung des Persönlichkeitsrechts und die mit seiner Verletzung verbundenen Gefahren noch nicht in dem Maße bewusst sein, wie man das bei einem Erwachsenen erwarten könne.

Wann die Grenze zum Mobbing überschritten wird, ist damit gerade unter Heranwachsenden einzelfallabhängig. Neben der genauen Ausgestaltung und Formulierung der konkreten Äußerungen sind diesbezüglich aber auch weitere Gesichtspunkte in Betracht zu nehmen, die das Phänomen Mobbing kennzeichnen. Die meisten Forscher betonen in diesem Kontext das Verhaltensmuster (Systematische Handlungsweisen), ungleiche Machtverhältnisse und ein typisches Opferbild infolge der geschaffenen ungleichen Verhältnisse.

WhatsApp und die neue Qualität des Mobbing

Besonders anfällig für Cyber-Mobbing ist der global am häufigsten genutzte Messenger-Dienst WhatsApp. Diesem seit Anfang 2016 kostenlosen – und gerade deshalb bei Jugendlichen besonders beliebten – Dienst, den über 1 Milliarde Menschen in über 180 Ländern benutzen, wird die weitgehende Ablösung der SMS zugeschrieben.

Ein weiterer Grund für die enorme Anfälligkeit von WhatsApp für die missbräuchliche Nutzung durch Jugendliche ist der Umgang mit Altersbeschränkungen. Im Zuge der Umsetzung der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung hat WhatsApp zwar im Mai 2018 das Mindestalter für seine Nutzer von 13 auf 16 Jahre angehoben. Kontrolliert wird das jeweils angegebene Alter jedoch nicht. Es wird schließlich auch nicht von der EU-Verordnung verlangt. Es handelt sich bei Lichte betrachtet somit weniger um eine verbindliche Vorgabe, als eher um eine bloße Empfehlung.

Daraus folgt, dass WhatsApp auch bei Jugendlichen deutlich unter 16 Jahren bereits omnipräsent ist. Nicht nur für die Kinder selber ist es heutzutage der schnellste und normalste Weg, um miteinander zu kommunizieren. Auch Vereine und sogar Schulen nutzen die Allgegenwärtigkeit von WhatsApp, um Neuigkeiten zu verbreiten und Organisatorisches zu regeln. Oftmals sind es genau diese sogenannten Klassenchats, die anfällig für Mobbing sind.

Eine solche Konstellation war vor wenigen Jahren Gegenstand eines Urteils des Verwaltungsgerichts Ansbach (Urteil vom 18.07.2017, Az.: AN 2 K 17.00250). Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Ein zum damaligen Zeitpunkt 16-jähriger Gymnasialschülers der 9. Jahrgangsstufe – einer sogenannten Hochbegabtenklasse – verbreitete in einem Klassenchat bei WhatsApp hochgradig diffamierende Aussagen über einen Mitschüler (innerhalb einer halben Stunde sieben Mal Fresse, halt lieber dein Maul sonst gibts 1 flugticket nach afrika ohne Rückflug. Ich sag nur Albino Hunter.) und äußerte sich auch im Unterricht herablassend.

Um einen Schutzraum für etwas andersartige Schüler zu schaffen und das gravierende Fehlverhalten des Schülers zu sanktionieren, erließ die Schule als Ordnungsmaßnahme die Versetzung in eine Parallelklasse. Gegen diese Ordnungsmaßnahme wurde schließlich Klage erhoben.

Streitgegenständliche Frage des zugrundeliegenden Falles war, ob ein ausreichender Schulbezug gegeben ist, der auch und gerade schulische Konsequenzen rechtfertigt. Das Verwaltungsgericht bejahte dies und stellte fest, dass die Versetzung des Schülers aus der Hochbegabtenklasse in eine Parallelklasse rechtmäßig erfolgte, da der Schüler maßgeblich am Mobbing gegenüber einem anderen Schüler der Hochbegabtenklasse beteiligt war. Weiter entschied das Gericht, dass die Verhältnismäßigkeit einer schulischen Ordnungsmaßnahme sich nach dem schulbezogenen Verhalten beurteile und nicht nach dem Verhalten des Schülers im privaten Bereich.

Im Falle eines Fehlverhaltens im Rahmen einer als Klassen-Chat eingerichteten Chat-Gruppe, an der grundsätzlich alle Klassenmitglieder teilnehmen und in der auch schulische Themen besprochen werden, sei ein ausreichender Bezug zur Schule hergestellt.

Fehlt ein solcher schulischer Bezug jedoch, liegt es weniger an der Schule und den dort Verantwortlichen, die Konsequenzen aus dem konkret Geschehenen zu ziehen. In diesem Fall müssen der oder die Betroffene und die Eltern selbst aktiv werden und handeln.

Praxistipps für betroffene Mobbing-Opfer

Juristische Schritte können zunächst in strafrechtlicher wie zivilrechtlicher Hinsicht eingeleitet werden.

Zwar gibt es in Deutschland – anders als in Österreich, wo zum 01.01.2016 in § 107c StGB die „Fortgesetzte Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems“ unter Strafe gestellt wurde – keinen eigenen Straftatbestand für Cyber-Mobbing. In bestimmten Konstellationen kann eine verbale Attacke bei WhatsApp jedoch eine Straftat gegen die persönliche Ehre darstellen, etwa in Form einer Beleidigung (§ 185 StGB), üblen Nachrede (§ 186 StGB) oder Verleumdung (§ 187 StGB). Dann sollte der oder die Betroffene schnellstmöglich einen Strafantrag stellen, dieser ist schließlich Voraussetzung für die Strafverfolgung.

Gerade bei Jugendlichen kann einer strafrechtlichen Verurteilung allerdings die fehlende Strafmündigkeit des Täters entgegenstehen. Ist der Täter noch keine 14 Jahre alt, so ist er nach Maßgabe des § 19 StGB schuldunfähig.

Eine solche fehlende Strafmündigkeit verhindert aber keineswegs jegliches juristisches Vorgehen gegen das Mobbing. Losgelöst von strafrechtlichen Sanktioniereungen ist nämlich die zivilrechtliche Verantwortlichkeit, auch Deliktsfähigkeit genannt. Anders als die Strafmündigkeit ist diese nicht an ein konkretes Alter gebunden. Vielmehr wird in § 828 Abs. 3 BGB danach gefragt, ob der Aggressor bei der Begehung der schädigenden Handlung die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat. Die Beantwortung dieser Frage ist stark einzelfallabhängig und daran geknüpft, welches Verhalten allgemeinüblich und altersadäquat ist.

Gerade der Umgang mit WhatsApp ist für Kinder und Jugendliche heutzutage jedoch selbstverständlich. Damit gehört es grundsätzlich auch zum Allgemeinwissen in dieser bestimmten Altersgruppe, was auf sozialen Plattformen und bei der Benutzung von Messenger-Diensten erlaubt ist und was nicht. So hatte bereits das Landgericht Memmingen in der oben zitierten Entscheidung festgehalten, ein immerhin bedingt deliktsfähiges (also mindestens siebenjähriges, vgl. § 828 Abs. 1 BGB) Kind wisse durchaus, dass ein Schimpfwort eine Herabsetzung des anderen Kindes bedeutet, dass damit eine Abwertung seiner Person verbunden und auch gewollt ist und, dass die Nachhaltigkeit einer solchen Herabsetzung durch die Einstellung in das Internet und den „öffentlichen Pranger“ massiv verstärkt werden kann, obwohl genau diese Verstärkung unrechtmäßig ist.

Damit bedeutet in den meisten Fällen das Alter des „Mobbers“ kein Hindernis in Bezug auf die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche. Als solche kommen beispielsweise Unterlassungsansprüche aus § 1004 BGB oder Schmerzensgeldansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB in Betracht. Auch eine Abmahnung oder einstweilige Verfügung kann erwirkt werden. Mit der Verfolgung solcher Ansprüche sollte jedenfalls – um die bestmöglichen Erfolgsaussichten zu generieren – ein fachkundiger Rechtsbeistand betraut werden.

Unabhängig davon, für welches Vorgehen Sie sich als Betroffene(r) oder als Elternteil auch entscheiden, folgende Praxistipps sollten unbedingt befolgt werden: Primär ist es unerlässlich, zur Beweissicherung zunächst Screenshots von den beleidigenden Äußerungen oder Verhaltensweisen des Täters bei WhatsApp zu machen und den Vorfall Eltern, Lehrern oder sonstigen nahestehenden Dritten zu melden. Außerdem ist es ratsam, auf Diffamierungen nicht zu antworten, sondern den betreffenden Kontakt zu sperren. Eine entsprechende Anleitung zur Selbsthilfe findet sich in den FAQ des Messenger-Dienstes. Unter „Datenschutz und Sicherheit“ beschreibt WhatsApp dort detailliert, wie ein Kontakt für Android, iOS und andere Betriebssysteme blockiert werden kann und welche Folgen dies hat. Weitergehende Eingriffsmöglichkeiten auf Seiten von WhatsApp selber sind jedoch nicht gegeben. Findet das Mobbing etwa in einem Gruppenchat statt, kann WhatsApp diese Gruppe mangels Einflusses auf die Admin-Funktion nicht löschen.

Sollten sodann Schlichtungsversuche – insbesondere eine Kontaktaufnahme zu den Eltern des Aggressors sollte angestrengt werden – nicht zur gewünschten Besserung führen, bleibt als Ultima-ratio nur eine der oben genannten juristischen Vorgehensweisen.

Insgesamt, das sollten die bedauernswerten Nachrichten aus Berlin aktuell erneut offenbart haben, ist vor allem Eltern und anderen familiären oder auch schulischen Bezugs- und Vertrauenspersonen dringend zu empfehlen, Kinder und Jugendliche bereits präventiv über die Gefahren und Nachteile der WhatsApp-Nutzung aufzuklären und sie bei der Handhabung des Messengers eng zu begleiten. Denn nur so kann WhatsApp in Zukunft wieder das werden, was es eigentlich sein soll: Die beste Möglichkeit, schnell und einfach interaktiv Informationen und Neuigkeiten auszutauschen – ganz ohne verbale Angriffe und Diffamierungen.

  • Eltern sollten immer zuerst das Gespräch mit dem eigenen Kind, das Opfer einer Mobbing-Attacke wurde, führen. Wie lange wird das Kind schon gehänselt, wer ist an den Attacken beteiligt, wann und wo fanden die Übergriffe statt. Oftmals fürchten die Kinder verstärkte „Repressionen“ seitens der Mobber, wenn sich die Eltern einmischen. Dabei zeigt die Praxis, dass die (mobbing-) aktiven Mitschüler oft erst durch die Aussprache ein Einsehen in das eigene Unrecht entwickeln.
  • Ganz wichtig: Mobbing frühzeitig der Schulleitung und den Eltern der mobbenden Kinder im direkten Gespräch melden. Die ersten Gespräche sollten unter Beteiligung der Eltern, der Schulleitung und des Klassenlehrers möglichst auf „neutralem Boden“ (anzuraten ist die Schule) geführt werden. Bei einem folgenden Gesprächstermin sollten auch die betreffenden Schüler beteiligt werden.
  • Erörterung einer schulnahen oder schulexternen Mediation. Diese dient der Befriedung der Konfliktslage ohne schulische Sanktionen, ohne Anwälte, Gerichte und Staatsanwälte.
  • In schwerwiegenden Fällen: Abmahnung aussprechen – gegebenfalls auch gegen die Eltern des Mobbers. In vielen Fällen kann nur auf zivilrechtlichem Wege effizient sichergestellt werden, dass sich das Mobbing nicht wiederholt.
  • In eklatanten Fällen: Strafanzeige erstatten – kann Online gestellt werden. Nach angemessener Zuwartezeit über einen Rechtsanwalt die Akteneinsicht in die staatsanwaltliche Ermittlungsakte beantragen.
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