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Du blöder Idiot! Solche oder andere Äußerungen hat man sich auch in meiner Schulzeit gegenseitig an den Kopf geworfen. Danach ist man nach Hause gegangen und am nächsten Tag war die ausgesprochene Beleidigung zumeist schon wieder vergessen. Heute beleidigen und beschimpfen sich Kinder oft über Monate hinweg.
Immer mehr Kinder beleidigen sich
Damals gab es noch kein Internet, keine Smartphones oder Tablets. Heute gehört das Smartphone spätestens ab der weiterführenden Schule schon zur Standardausrüstung eines jeden Schülers und Internet ist dank günstigen Datenflatrates immer und überall verfügbar. Doch dieser Fortschritt bringt nicht nur Vorteile mit sich.
So wird heute die Äußerung „Du blöder Idiot!“ nicht mehr auf dem Schulhof, sondern im Internet auf Facebook, WhatsApp oder sonst wo verbreitet. Gesprächsinhalte überschreiten die akustische Wahrnehmungsbarriere und suchen sich zeitlich unbegrenzt entsprechende Resonanz im World Wide Web.
Das führt dazu, dass eine im Affekt getätigte, vergleichsweise harmlose Äußerung, schnell den Bezug zur Ausgangssituation verliert und in eine langwierige Diskussion ufert, die nur allzu leicht die Grenzen der betroffenen Personen überschreitet.
Was sagt das Recht, wenn Kinder sich beleidigen?
Die subjektive Toleranzgrenze ist bei jedem Menschen verschieden. Wo fängt eine Beleidigung an und wo muss eine sarkastische Äußerung noch hingenommen werden? Wir möchten anhand der Eingangs dargestellten Äußerung „Du blöder Idiot!“ einmal deren rechtliche Bewertung durchspielenStrafrecht
Aus strafrechtlicher Sicht stellt die Äußerung eine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB dar. Entsprechend könnte eine solche Äußerung gegenüber den Strafverfolgungsbehörden zur Anzeige gebracht werden. Aus meiner Erfahrung werden derartige Anzeigen jedoch häufig mangels öffentlichen Interesses eingestellt. Darüber hinaus sind Kinder unter 14 Jahren gar nicht strafmündig, sodass eine strafrechtliche Verfolgung bei jüngeren Kindern ins Leere läuft.
Zivilrechtlich handelt es sich bei dieser Äußerung um einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Es liegt mithin eine Persönlichkeitsrechtverletzung vor. Als allgemeines Persönlichkeitsrecht ist das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit, mithin die freie Lebensgestaltung, eigene persönliche Entwicklung und der Schutz der eigenen Individualität zu verstehen. Dieser Schutz umfasst auch, dass man nicht die Verbreitung unwahrer Tatsachen oder unzulässiger Meinungsäußerungen über sich hinnehmen muss.
Bei der Äußerung „Du blöder Idiot!“ handelt es sich nicht um eine unwahre Tatsachenbehauptung, da diese Äußerung nicht, wie die Aussage „Das Auto ist blau“, dem Beweis zugängig ist. Vielmehr handelt es sich um eine Meinungsäußerung. In Deutschland bestimmt Art. 5 GG, dass jedermann das Recht hat, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Doch dieses Recht ist nicht uneingeschränkt gegeben. Das Recht auf freie Meinungsäußerung endet dort, wo Rechte anderer nachhaltig beeinträchtigt werden.
Persönlichkeitsrechtsverletzung oder alles halb so wild?
Was eine Persönlichkeitsrechtsverletzung ist, lässt sich am Besten anhand kurzer Beispiele erläutern.
- Der klassische Fall einer Persönlichkeitsrechtsverletzung ist die Beleidigung, so zum Beispiel der Ausdruck „Du blöder Idiot“. Diese Beleidigung stellt eine Meinungsäußerung dar, die nicht mehr durch das Recht auf Meinungsfreiheit geschützt ist, da sie nur noch darauf abzielt, den damit angesprochenen zu difamieren und beleidigen.
- Auch wenn ein Schüler über einen anderen Schüler in einem Klassenchat behauptet, dass der angesprochene Schüler im Unterricht in die Hose gemacht hat, ist dies immer dann eine Persönlichkeitsrechtsverletzung, wenn dies tatsächlich nicht der Wahrheit entspricht.
- Auch die Verwendung von den gerade bei Whatsapp beliebten Emojis kann eine Persönlichkeitsrechtsverletzung sein. Verwende ich beispielsweise in beleidigender Absicht das Emoji „Schwein“ gegenüber einer anderen, so verletzt dies den Adressaten in seinen Persönlichkeitsrechten.
- Letztendlich kann auch das unerlaubte Verschicken eines Fotos eine Persönlichkeitsrechtsverletzung zum Nachteil der auf dem Foto abgebildeten Person darstellen. Dies ist dann der Fall, wenn die Person der Vervielfältigung und/oder Veröffentlichung ihres Bildnisses nicht zugestimmt hat und sie auf dem Foto zu erkennen ist.
Recht am eigenen Bild
Auf die Persönlichkeitsrechtsverletzung durch die Vervielfältigung und/oder Veröffentlichung eines Lichtbildes lohnt es sich nochmal gesondert einzugehen, da diese Form der Verletzungshandlung gerade unter Minderjährigen, unter Verwendung von WhatsApp und anderen Chatprogrammen, häufig vorkommt.
Schnell ist ein Foto, beispielsweise eines Mitschülers im Klassenzimmer, auf dem Schulhof oder im privaten Umfeld, geknipst. Damit auch andere Mitschüler das Foto sehen, wird dieses mal eben über den Klassenchat oder in eine andere Chatgruppe verschickt.
So oder so ähnlich finden mehrere tausendmal am Tag Veröffentlichungen von Bildern statt. Hierbei sind die verschickten Bilder nicht immer so harmlos, sondern oftmals werden auf diese Art und Weise auch sehr intime Bilder, die einem anderen im Vertrauen auf Diskretion übermittelt wurden, weitergegeben.
Losgelöst von der Brisanz des Bildinhaltes stellt ein solches Verschicken von Bildern immer eine Persönlichkeitsrechtsverletzung dar, wenn der auf dem Bild zu erkenndende Mensch, dem Verschicken nicht zugestimmt hat, da jeder Mensch in der Regel frei darüber bestimmen darf, ob und in welcher Art und Weise Bilder von ihm veröffentlicht werden. Dies regelt auch das Kunsturhebergesetz. Gemäß § 22 Satz 1 KunstUrhG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.
Haften auch Minderjährige?
Auch wenn ein Minderjähriger die Persönlichkeitsrechtsverletzung begangen hat, kann er gegenüber dem Geschädigten auf Schadensersatz haften. Dies ist immer dann der Fall, wenn im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung der minderjährige Rechteverletzer als hinreichend einsichtsfähig angesehen werden kann. So hat beispielsweise das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg (Az: 239 C 225/14) einen 13-jährigen als voll einsichtsfähig angesehen, weil dieser über umfassende Kenntnisse über die sozialen Netzwerke und Medien verfügte.
Gerade in der heutigen Zeit, wo spätestens ab der weiterführenden Schule jedes Kind mit einem Smartphone und den gängigen Apps vertraut ist, kann wohl davon ausgegangen werden, dass wenn mittels einer dieser Apps eine Persönlichkeitsrechtsverletzung begangen wird, dass Kind entsprechend einsichtsfähig ist. Ungeachtet dessen muss jedoch immer eine Bewertung der konkreten Umstände vorgenommen werden. Kinder unter sieben Jahren haften jedoch gemäß § 828 Abs. 1 BGB nicht.
Ansprüche des Geschädigten
Der in seinem Persönlichkeitsrecht Verletzte kann von demjenigen der Verletzungshandlung vorgenommen hat neben dem Unterlassen derartiger Handlungen auch Schadensersatz und eventuell auch Schmerzensgeld fordern. Dies gilt auch, wenn Täter und Opfer noch minderjährig sind.
- Der primäre Anspruch bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen ist der Unterlassungsanspruch, denn dieser soll sicherstellen, dass das Persönlichkeitsrecht des Geschädigten zukünftig nicht mehr verletzt wird. Dieser Anspruch ist sogar verschuldensunabhängig. Das heißt auf die Deliktsfähigkeit des Minderjährigen kommt es nicht an.
- Weiter hat der Geschädigte einen Anspruch gegen den Schädiger auf Aufwendungsersatz; d. h. der Geschädigte kann beispielsweise vom Täter auch die Kosten einer anwaltlichen Vertretung wieder einfordern.
- Darüber hinaus kann einem Geschädigten auch ein Schmerzensgeld zustehen (BGH, Urteil vom 14.02.1958, I ZR 151/56). Durch das Schmerzensgeld soll das Opfer der Verletzungshandlung für die erlittenen psychischen Qualen entschädigt werden. Entsprechend kommt dem Schmerzensgeld im Persönlichkeitsrechts eher eine symbolische Funktion zu. Hierbei müssen nicht nur die Einsichtsfähigkeit des Schädigers, sondern vor allem auch die Auswirkungen der Verletzungen auf das Opfer berücksichtigt werden. Dementsprechend hat das Amtsgericht Charlottenburg in einem Vergleichsvorschlag einem 14-jährigen Täter die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 1.000,00 Euro für die Veröffentlichung intimer Lichtbilder seiner minderjährigen Freundin auf Whatsapp nahegelegt (vgl. AG Berlin-Charlottenburg, Az.: 239 C 225/14).