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Sie haben eine wettbewerbsrechtliche Klage des Verbraucherschutzverein gegen unlauteren Wettbewerb e.V. erhalten? Immer öfter werden Unternehmen oder auch Onlineshops von qualifizierten Einrichtungen i.S.d. § 4 UKlaG, wie etwa dem Verbraucherschutzverein gegen unlauteren Wettbewerb e.V. aufgrund von Wettbewerbsverstößen in Anspruch genommen. Dieser Beitrag befasst sich mit einem Klageverfahren, in dem wir für unseren Mandanten Forderungen des Verbraucherschutzvereins abgewehrt haben. Das Klageverfahren ist bedeutsam, weil jedes Jahr hunderte solcher Klagen auf Vertragsstrafenzahlung von qualifizierten Verbraucherschutzeinrichtungen geführt werden.
Wer war der Kläger in diesem Gerichtsverfahren?
Der Verbraucherschutzverein gegen unlauteren Wettbewerb e.V. ist ein Verein, der sich den Schutz der Verbraucher zur Aufgabe gemacht hat. Der Verein wurde im Jahre 2005 gegründet und hat seinen Sitz in Fürstenfeldbruck. Er ist im Vereinsregister des Amtsgericht München unter der Registernummer VR 120825 eingetragen.
Das Ziel des Vereins ist es, Verbraucher über Wettbewerbsverstöße zu informieren, zu beraten und die Rechte der Verbraucher durch Aufklärung zu schützen. Ferner nimmt der Verein im Falle wettbewerbsrechtlicher Verstöße die unlauter handelnden Unternehmer in Anspruch.
Der Verein begründet sein Anliegen so, dass täuschende oder andere gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßende Verhaltensweisen den lauteren und unverfälschten Wettbewerb verzerren.
Einrichtung im Sinne des § 4 UKlaG
Die Berechtigung, Ansprüche wegen der Verletzung verbraucherschützender Normen im eigenen Namen im Rahmen einer Abmahnung oder Klage geltend zu machen, hat der Verbraucherschutzverein gegen unlauteren Wettbewerb e.V. durch die Eintragung in die Liste qualifizierter Einrichtungen erlangt.
Diese Liste wird vom Bundesamt für Justiz geführt und kann auf der Internetseite des Bundesjustizamtes in der jeweils aktuellen Fassung eingesehen werden. Wenn Sie vom Verein in Anspruch genommen werden, sollten Sie zunächst in die Liste schauen.
In diese Liste werden auf Antrag rechtsfähige Vereine eingetragen, zu deren satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, Interessen der Verbraucher durch nicht gewerbsmäßige Aufklärung und Beratung wahrzunehmen, wenn sie mindestens drei Verbände, die im gleichen Aufgabenbereich tätig sind, oder mindestens 75 natürliche Personen als Mitglieder haben, sie mindestens ein Jahr bestanden haben und auf Grund ihrer bisherigen Tätigkeit gesichert erscheint, dass sie ihre satzungsmäßigen Aufhaben auch künftig dauerhaft wirksam und sachgerecht erfüllen werden, vgl. § 4 Abs. 2 S. 1 UKlaG.
Für den Antrag auf Eintragung in die Liste bedarf es u.a. der Beibringung der aktuellen Satzung des Vereins, einer aktuellen Mitgliederliste, Nachweise über die Mitgliedschaft sowie Nachweise über die Zuwendungen an Mitglieder, aber auch Angaben zu bereits geltend gemachten Ansprüchen sowie eine Übersicht über die Einnahmen und Ausgaben des Vereins.
Das Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen kann nachträglich vom Bundesjustizamt überprüft werden. Nur ein beständiger Eintrag in der Liste qualifizierter Einrichtungen berechtigt den Verein, im Falle von unlauteren geschäftlichen Handlungen gemäß § 3 UWG bzw. bei unzulässigen geschäftlichen Handlungen gemäß § 7 UWG den Rechteverletzer auf Beseitigung der Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen.
Die wettbewerbsrechtliche Klage und der Verfahrensverlauf vor der Kammer für Handelssachen
In dem von uns begleiteten Klageverfahren meldete der Verbraucherschutzverein gegen unlauteren Wettbewerb e.V. als Kläger Ansprüche aus einem Unterlassungsvertrag geltend.
Die von uns vertretene Beklagte vertrieb über eBay als gewerbliche Verkäuferin Lebensmittel und Haushaltswaren. Im Februar 2015 erhielt der Verbraucherschutzverein Kenntnis davon, dass unsere Mandantschaft in ihrem eBay-Shop unter anderem Schaumweine anbot, ohne auf enthaltene Allergene hinzuweisen.
Daraufhin forderte der Verbraucherschutzverein gegen unlauteren Wettbewerb die Abgabe einer Unterlassungserklärung zur Ausräumung der Wiederholungsgefahr. Die Beklagte gab eine eigens (ohne anwaltlichen Rat) modifizierte Unterlassungserklärung ab. Ein folgenschwerer Fehler, wie sich im Nachgang zeigen sollte.
Einen Monat nach Abgabe der Unterlassungserklärung wurde dem Verbraucherschutzverein bekannt, dass unsere Mandantin über den oben genannten eBay-Shop auch Weine anbot, ohne auf enthaltene Sulfite hinzuweisen. Noch am selben Tage forderte der Verein die Händlerin zu einer erneuten Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung sowie zur Zahlung der später auch gerichtlich geltend gemachten Vertragsstrafe auf. Die Beklagte lehnte (nach unserer Beratung) die Zahlung einer Vertragsstrafe ab.
In der Folge machte der Verbraucherschutzverein die Klage beim zuständigen Landgericht (dort der Kammer für Handelssachen) anhängig und forderte vor Gericht die Zahlung der Vertragsstrafe in Höhe von 5.100,00 Euro und Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
Der Verein vertrat die Ansicht, die Händlerin habe gegen die Unterlassungserklärung verstoßen, weil sie in ihrem eBay-Shop Weine angeboten hat ohne auf darin enthaltene Sulfite hinzuweisen.
Wir vertraten die Ansicht, die abgegebene Unterlassungserklärung habe sich lediglich auf Schaumweine bezogen und der Vertrieb von Weinen könne daher gar nicht gegen den Inhalt des Unterlassungsvertrags verstoßen haben.
Entscheidungsgründe des Gerichts
Schon außergerichtlich hatten wir herausgestellt, dass sich die von unserer Mandantschaft abgegebene Unterlassungserklärung ihrem Wortlaut nach ausschließlich auf Schaumweine bezog. Wir hatten herausgestellt, dass Wein und Schaumwein unterschiedliche Erzeugnisse sind, was sich bereits aus § 32 SchaumwZwStG ergibt.
Der Verein machte dennoch klagweise Ansprüche aus der Unterlassungserklärung gegen unsere Mandantschaft geltend und berief sich dabei u.a. auf die sogenannte Kerntheorie.
Nach der Kerntheorie sind auf die konkrete Verletzungsform bezogene Unterlassungserklärungen grundsätzlich auch auf kerngleiche Verletzungshandlungen anwendbar.
Nach der Kerntheorie werden nicht nur die in der Unterlassungserklärung konkret festgehaltene Verletzungsformen, sondern auch kerngleiche Verletzungshandlungen von der Wiederholungsgefahr, erfasst. Für diese kerngleichen Verletzungshandlungen entfällt dann ebenso – wie für die konkrete Verletzungshandlung – die Wiederholungsgefahr. Soweit die Kerntheorie einschlägig ist, bedarf es bei einem kerngleichen Verstoß keiner weiteren Abmahnung. Dem Unterlassungsgläubiger steht demnach direkt ein Anspruch auf Zahlung der in der Unterlassungserklärung vereinbarten Vertragsstrafe zu.
Die Kerntheorie bezieht sich auf den Umfang der Rechtskraft eines Unterlassungsurteils und besagt, dass aus dem Urteil auch wegen solcher Verstöße gegen das Unterlassungsgebot vollstreckt werden kann, die den Kern der Verbotsform unberührt lassen […]. Die nach der Kerntheorie angenommene Rechtskraftwirkung setzt allerdings – schon im Hinblick auf die Bindung des Gerichts an den gestellten Antrag (§ 308 Abs. 1 ZPO) – voraus, dass auch kerngleiche Abweichungen von der konkreten Verletzungsform, wie sie vom materiell-rechtlichen Unterlassungsanspruch mit umfasst sind […], mit Streitgegenstand gewesen sind und die gerichtliche Entscheidung über den Streitgegenstand daher solche Abweichungen von der konkreten Verletzungsform mit verboten hat […]. Die Annahme, dass das Unterlassungsbegehren grundsätzlich auch auf das Verbot kerngleicher Abweichungen von der konkreten Verletzungsform gerichtet ist, bezieht sich jedoch nur auf die mit dem Klageantrag begehrte Rechtsfolge und hat mit der Abgrenzung des Klagegrunds, aus dem diese Rechtsfolge hergeleitet wird, nichts zu tun.
BGH, Urteil vom 23.02.2006, I ZR 272/02
Wann muss eine Vertragsstrafe gezahlt werden, wann nicht?
Es stellt sich jedoch die Frage, wann „ähnliche Handlungen“ in das Unterlassungsbegehren einzubeziehen sind. Dies ist u.a. abhängig von der Anwendbarkeit der Grundsätze aus der Kerntheorie (also der Erweiterung des Kerns der Verletzungshandlung und ob dieser auch ähnliche Handlungen erfasst). Die Reichweite eines Unterlassungsversprechens wird regelmäßig durch Auslegung des Parteiwillens bestimmt.
Wichtige Punkte zur Bestimmung des Umfangs einer Unterlassungserklärung:
- Das Unterlassungsbegehren kann nur dann für kerngleiche Verletzungen gelten, wenn die kerngleichen Verletzungshandlungen in das Erkenntnisverfahren und in die Verurteilung einbezogen waren, vgl. BGH Urteil vom 20.06.2013, I ZR 55/12.
- Wichtigster Anhaltspunkt für die Bestimmung des Kerns ist die Auslegung der Willenserklärung der Parteien.
- Zweifel bei der Bestimmung des Kerns gehen zu Lasten des Titelinhabers, also des Unterlassungsgläubigers.
Kein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe: Ausnahme von der Kerntheorie
Eine Ausnahme zu der Kerntheorie kann dann bestehen, wenn beide Parteien die Unterlassungserklärung nur auf die konkrete Verletzungsform und nicht auf kerngleiche Verletzungshandlungen beziehen wollten.
Wenn besondere Umstände vorliegen, die eine solche Ausnahme vermuten lassen, wird dies ebenfalls durch Auslegung der Willenserklärungen der Parteien ermittelt, vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2010, I ZR 202/07.
Klage des Verbraucherschutzvereins gegen unlauteren Wettbewerb e.V. abgewiesen
Im vorliegenden Fall folgte das Landgericht uneingeschränkt unserer Argumentation und führte aus, dass der Vertrieb von Weinen im konkreten Fall nicht von dem strafbewehrten Unterlassungsversprechen umfasst sei.
Das Landgericht verkannte bei dieser Bewertung nicht, dass unter eine vertragliche Unterlassungserklärung nicht nur identische, sondern auch abgewandelte und denselben Kern und damit das Charakteristische enthaltene Handlungsformen gefasst werden können. Ebenso verkannte das Gericht nicht, dass ein vertraglicher Unterlassungsanspruch wie ein gerichtlicher Titel den Zweck verfolgt, künftige wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Die Auslegung eines Unterlassungsvertrages kann gleichwohl ergeben, dass ein solcher bewusst eng auf die bezeichnete konkrete Verletzungshandlung beschränkt ist. Damit folgte die Handelskammer auch der Rechtsansichten des BGH, Urteil vom 17.07.1997, I ZR 40/95 sowie des OLG Hamm, Urteil vom 27.03.2012, 4 U 181/11 und OLG Hamm, Urteil v. 16.12.2010, 4 U 118/10).
Was können Sie als Online Händler aus diesem Klageverfahren für sich nutzen?
- Sollten Sie als Online Händler eine Abmahnung erhalten, so lassen Sie sich tunlichst anwaltlich beraten, ob die Abgabe der Unterlassungserklärung sinnvoll ist und welche Pflichten daraus für Sie folgern. Freilich klingt dies wie ein werblicher Apell, soweit ein Rechtsanwalt diese Empfehlung ausspricht. Gleichsam werde ich nicht müde, die Bedeutung einer anwaltlichen Beratung im Vorfeld der Abgabe eines Unterlassungsversprechens herauszustellen. Denn die unbedachte Abgabe einer Unterlassungserklärung kann weitreichende Folgen haben. Ein Unterlassungsvertrag ist zwingend einzuhalten und bindet Sie (und regelmäßig auch Ihre Rechtsnachfolger) über 30 Jahre.
- Im Falle der Abgabe einer Unterlassungserklärung sollten Sie zumindest im Anschreiben zu diesem deutlich machen, worauf sich das Unterlassungsversprechen konkret bezieht (ggf. sollten Sie herausstellen, dass kerngleiche Verletzungen nicht erfasst werden).
- Soweit Sie eine Klage von einer qualifizierten Einrichtung iSd. § 4 UKlaG erhalten, kontrollieren Sie, ob die Einrichtung in der Liste des Bundesjustizministeriums über qualifizierte Einrichtungen nach § 4 UKlaG enthalten ist.
- Kontrollieren Sie Möglichkeiten, ob Ihr Unterlassungsversprechen aufgekündigt oder angefochten werden kann. Das neue Wettbewerbsrecht (in der seit dem 02.12.2020 geltenden Fassung) bringt hier einige Handlungsmöglichkeiten.