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Sie wurden durch Werbung negativ beeinträchtigt oder planen selbst eine Werbekampagne zu veröffentlichen? Die Fragen, welcher Umgang mit Konkurrenten in der Werbung erlaubt ist und wann eine vergleichende Werbung als unlauterer Wettbewerb und damit als unzulässig einzustufen ist, erläutern wir in diesem Artikel zum Werberecht. Als Veranschaulichung soll der Lidl Plus Rap dienen, der für Furore in den sozialen Medien sorgte. Das offizielle Musikvideo ist inzwischen nicht mehr online, jedoch finden sich auf YouTube noch einige Reaction-VLogs.
Der Lidl Plus Rap ist geprägt von Äußerungen, die sich mit der Discounter Konkurrenz vergleichen. Ist in der Werbung ein solcher Umgang mit Konkurrenten erlaubt? Wann ist vergleichende Werbung als unlauterer Wettbewerb und damit als unzulässig einzustufen?
Rechtsgrundlagen der vergleichenden Werbung
Grundsätzlich ist für eine rechtliche Bewertung einer vergleichenden Werbemaßnahme das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) heranzuziehen. Zu beachten ist aber, dass das UWG in Teilen den europäischen Regelungen, insbesondere der Richtlinie 2006/114/EG, als übergeordnetem Recht weichen muss. Daher müssen einige Begriffe im Lichte der europäischen Regelungen ausgelegt werden.
Die Zulässigkeit und die Grenzen vergleichender Werbung regelt § 6 UWG. Werbung im Sinne des § 6 UWG ist jede Maßnahme, die der eigenen Absatzförderung des Werbenden dienen soll.
Vergleichende Werbung im Sinne des § 6 Abs. 1 UWG liegt immer dann vor, wenn die Werbung einen Mitbewerber oder seine Waren unmittelbar oder mittelbar kenntlich macht, der Mitbewerber also zu identifizieren ist.
Eine Erkennbarkeit ist grundsätzlich zu bejahen, wenn ausdrücklich auf den Mitbewerber oder seine Dienstleistungen und Waren Bezug genommen wird. Für die Beurteilung ist die Sicht eines verständigen und aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers maßgeblich.
Unmittelbare Erkennbarkeit ist immer dann gegeben, wenn der Mitbewerber bzw. seine Ware oder Dienstleistung namentlich genannt, bildlich durch sein Logo oder Werbemotive dargestellt oder auf andere Weise identifizierbar gemacht wird. Im Lidl Plus Rap werden Unternehmen beispielsweise explizit benannt, sodass hier eine Erkennbarkeit unweigerlich zu bejahen ist:
„Im Vergleich sind Payback Karten leider einfach nur Schrott“
„Sogar Rewe Kunden merken, diese Preise sind zu heftig“
„Willst du zu viel ausgeben, ja dann geh einfach zu Edeka“
„Du stehst auf schlechte Ware, ja dann geh doch zu Netto“
Es genügt explizit aber auch die mittelbare Erkennbarkeit, welche den Mitbewerber oder seine Produkte durch inhaltliche Bezugnahme erkennen lässt. Wenn der Unternehmensname eines Betriebes beispielsweise nicht benannt wird, aber umschrieben oder bestimmte Eigenschaften des Unternehmens oder dessen Waren genannt werden, ist die Erkennbarkeit zu bejahen. Dabei kommt es auf die Sicht des gut informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers an (EuGH, Urteil vom 19.04.2007, C-381/05).
Der betroffene Mitbewerber oder seine Waren und Dienstleistungen müssen dabei konkret erkennbar sein. Eine mittelbare Erkennbarkeit wurde z. B. bei folgenden Werbeinhalten bejaht:
- Hinweise auf den Herstellungs- oder Verkaufsort sowie sonstige Charakteristika des Mitbewerbers
- Angaben über die Wirkstoffzusammensetzung bei medizinischen Präparaten (BGH, Urteil vom 17.01.2002, I ZR 161/99)
- direkte oder indirekte Gruppenbezeichnungen, wenn nur ein überschaubarer Kreis von Mitbewerbern besteht oder eine hervorgehobene und kleine Gruppe von Mitbewerbern erkennbar ist (OLG Frankfurt, Urteil vom 10.08.2017, 6 U 63/17)
- erkennbare Imitation eines Produktes des Mitbewerbers (KG Berlin, Urteil vom 28.08.2012, 5 U 48/06)
So heißt es etwa im hier herangezogenen Discounter Rap Werbevideo „Im Gegensatz zu anderen ist bei uns wirklich der Tee gut“. Dieser Anspielung auf den Umstand, dass im Jahre 2018 Kräutertees von namhaften Herstellern aufgrund enthaltener Pflanzengifte aus den Regalen bei Edeka, Rewe und Aldi entfernt wurden, wohnt eine mittelbare Erkennbarkeit anheim, sodass sie als vergleichende Werbeaussage zu qualifizieren ist.
Da der Song Waren, Qualität, Preise etc. vergleicht, handelt es sich um vergleichende Werbung.
Durch Dritte ausgeführte Werbemaßnahmen
In der heutigen Zeit werden Werbemaßnahmen immer häufiger durch Dritte, wie etwa durch Influencer auf Instagram oder anderen Plattformen, ausgeführt. Fraglich ist, ob diese Werbemaßnahmen dem profitierenden Unternehmen zugerechnet werden können. Dies hängt davon ab, ob der Werbetreibende eine entsprechende Vergütung (Bezahlung, kostenfreie Zusendung von Produkten, Rabattcodes oder sonstige Leistungen) für die Werbemaßnahme erhält. Ist dies der Fall, so muss sich das Unternehmen die durch Dritte ausgeführte Werbemaßnahme zurechnen lassen. In Verbindung mit Produktplazierung kann bspw. häufig davon ausgegangen werden. Dementsprechend entfällt eine Zurechnung, wenn es sich um eine unaufgeforderte und unabhängige Werbemaßnahme ohne Vergütung handelt.
Wo sind die Grenzen der vergleichenden Werbung zur unlauteren Werbung?
Grundsätzlich ist vergleichende Werbung in Deutschland also erlaubt. Jedoch ist die vergleichende Werbung nicht in jeder Hinsicht zulässig. So grenzt § 6 Abs. 2 UWG die Zulässigkeit der vergleichbaren Werbung für unlautere Handlungen ein. Unlauter handelt demnach, wer:
1. sich nicht auf Waren oder Dienstleistungen für den gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung bezieht,
2. nicht objektiv auf eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften oder den Preis dieser Waren oder Dienstleistungen bezogen ist,
3. im geschäftlichen Verkehr zu einer Gefahr von Verwechslungen zwischen dem Werbenden und einem Mitbewerber oder zwischen den von diesen angebotenen Waren oder Dienstleistungen oder den von ihnen verwendeten Kennzeichen führt,
4. den Ruf des von einem Mitbewerber verwendeten Kennzeichens in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt,
5. die Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft oder
6. eine Ware oder Dienstleistung als Imitation oder Nachahmung einer unter einem geschützten Kennzeichen vertriebenen Ware oder Dienstleistung darstellt.
Wortlaut des § 6 Abs. 2 UWG
Selbst, wenn Werbung gemessen an den Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 UWG zulässig wäre, bedeutet dies nicht, dass die Werbung als lauter anzusehen ist. Werbung ist immer auch an den Maßstäben der §§ 3 ff. UWG (und dort insbesondere § 4 UWG) zu messen.
Nach § 4 UWG handelt unlauter, wer:
1. die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
2. über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind;
3. Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a) eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b) die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c) die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
4. Mitbewerber gezielt behindert.
Auszug aus § 4 UWG.
Freilich darf auch vergleichende Werbung nicht irreführend i. S. d. § 5 bzw. § 5a UWG sein. Wenn der Werbende eine geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, so verletzt er die Maßgaben des § 5 UWG. Irreführend ist eine Werbemaßnahme, wenn sie unwahre Angaben oder zur Täuschung geeignete Werbeinhalte iSd. § 5 UWG enthält oder relevante Informationen iSd. § 5a UWG verschwiegen werden. Jedem dürfte bewusst sein, dass Werbung immer gerne übertreibende Lobpreisungen im Hinblick auf die beworbenen Güter enthält. Aber es gibt Grenzen.
Unwahre Angaben oder zur Täuschung geeignete Werbeinhalte iSd. § 5 UWG sind in der Werbung aber immer ein heikles Thema und können schnell zur Unzulässigkeit führen.
Was droht bei unzulässiger Werbung?
Sollte es sich bei einer Werbemaßnahme um unzulässige Werbung handeln, droht eine zivilrechtliche Inanspruchnahme und zwar vornehmlich durch den werberechtlich beeinträchtigten Mitbewerber.
- Sie können zunächst Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche gemäß § 8 UWG i. V. m. §§ 3, 6 Abs. 2 UWG gegen den Werbenden geltend machen. Im Rahmen dieser Ansprüche wird der Werbetreibende aufgefordert, die Werbemaßnahme unverzüglich einzustellen, sie aus dem Werbemedium dauerhaft zu entfernen und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, in der unter einer hinreichenden Strafbewehrung erklärt wird, dass zukünftig keine derartigen Werbemaßnahmen mehr getroffen werden.
- Bei besonders rufschädigenden Äußerungen in pressenahen werblichen Medienberichten, kann auch ein Recht auf Gegendarstellung bestehen. Dabei müssen die unwahren Tatsachenbehauptungen, z. B. hinsichtlich der Qualität der Ware etc. richtiggestellt werden.
- Liegt ein Verschulden vor, so können Sie letztlich etwaige Schäden, die durch den Werbespot entstanden sind, im Rahmen des Aufwendungs- und Schadensersatzes gemäß § 9 UWG i. V. m. §§ 3, 6 Abs. 2 UWG ersetzt verlangen.
Die Beweislast, also die Darlegung, dass eine unzulässige vergleichende Werbung vorliegt, trifft regelmäßig den durch die Werbung beeinträchtigten Mitbewerber.
Wie grenzt man zulässige Werbung von unlauterer Werbung ab?
Bei der Prüfung der konkreten Werbemaßnahme ist anzumerken, dass die getroffenen werblichen Äußerungen nicht isoliert, sondern im Rahmen einer Gesamtbetrachtung auf ihre Zulässigkeit hin zu untersuchen sind. Das bedeutet, dass man Aussageinhalte nicht alleinstehend bewertet, sondern immer in dem Sinnzusammenhang der gesamten Äußerung, innerhalb der sie getroffen werden.
Entscheidend ist auch hierbei die Sicht eines Durchschnittsverbrauchers. Es kommt also darauf an, ob dieser in den Äußerungen wirklich Diffamierungen der Mitbewerber sieht oder die Äußerungen als überspitzte Ironie wahrnimmt, die für sich selber keine Ernsthaftigkeit beansprucht. Nimmt der Verbraucher die Werbung also als witzig und unterhaltsam wahr, ist diese grundsätzlich zulässig.
- Für eine Zulässigkeit einer Werbemaßnahme könnte sprechen, dass diese in einer bestimmt prägenden Form erfolgt. Der Lidl Plus Rap etwa ist in seiner Musikrichtung (Rapmusik) bereits dadurch geprägt, dass Äußerungsinhalte überspitzt dargestellt werden. So wird der durchschnittliche Verbraucher bei einem überspitzt dargestellten Rapsong nicht von einer Ernsthaftigkeit der Aussageinhalte ausgehen. Die Grenze zur nicht hinnehmbaren Herabsetzung ist erreicht, wo die Werbung den Mitbewerber dem Spott oder der Lächerlichkeit preisgibt.
- Dies gilt erst, wenn sich eine Werbemaßnahme nicht als stoischer Vergleich zweier Konkurrenten und deren Waren darstellt, sondern die Konkurrenz als Ganzes „auf die Schippe nimmt“. Ein Allgemeinvergleich wirkt sich relativierend auf die Wahrnehmung der Äußerungsinhalte aus. Der Werbebetrachter wird die Werbemaßnahme als Versuch, die eigene Ware oder Dienstleistung gegenüber anderen Leistungen herauszustellen, wahrnehmen. Gerade diese Herausstellung und Anpreisung liegt in der natureigenen Bestimmung und Zielorientierung einer jeden werblichen Maßnahme.
- Ferner spricht eine in der zu bewertenden Werbung erkennbare lautere Zielsetzung für die Zulässigkeit derselben. Unlautere Motive, wie die vorrangige Herabwürdigung der Konkurrenz, deuten eher auf ihre Unlauterkeit hin. Tritt klar in den Vordergrund, was beworben wird und warum sich die beworbene Ware oder Leistung von jener anderer Unternehmen absetzt, so dürfte regelmäßig von einer lauteren Werbemaßnahme auszugehen sein.
Dies sind nur einige wenige Umstände, die es bei der Berücksichtigung der Lauterkeit einer Werbemaßnahme von Interesse sind.
Planen Sie selbst eine Werbekampagne, sollten Sie oder die Marketingabteilung Ihres Unternehmens die geplante Werbekampagne an allen Maßstäben
- des § 6 Abs. 2 UWG,
- aber auch an den §§ 3 ff. UWG (insb. an § 4 UWG sowie § 5 UWG und § 5a UWG) messen und
- überdies auch die kennzeichenrechtlichen Bestimmungen im Auge behalten, wobei die Nutzung identischer Kennzeichen i. S. d. § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG (bzw. Art. 9 Abs. 1 a UMV) auch im Rahmen vergleichender Werbung nachgelassen bleibt – jedenfalls so lange, wie die Werbemaßnahmen als zulässige vergleichende Werbung zu qualifizieren ist (EuGH, Urteil vom 18.06.2009, C-487/07; OLG Braunschweig, Urteil vom 12.01.2011, 2 U 73/10).
Bei werberechtlichen Maßnahmen sollten Sie frühestmöglich eine Rechtseinschätzung einholen. Gerade vergleichende Werbung ruft unweigerlich ein kritisch prüfendes „paar Augen“ der Konkurrenz hervor. Fehler bei der vergleichenden Werbung können weitreichende Nachteile bedingen. Insoweit empfehlen wir Ihnen eindringlich die strukturierte prophylaktische Prüfung der geplanten Maßnahme auf „Herz und Nieren“.