Darf man WhatsApp-Nachrichten oder andere Chatinhalte veröffentlichen? Auf einem großen deutschsprachigen Schnäppchenportal kann man aktuell verfolgen, wie private Nachrichten (ebay Kleinanzeigen Nachrichtenverlauf) unbedacht in die Öffentlichkeit getragen werden. Kurzerhand hat ein User einen Thread im Diskussionsboard des Portals eröffnet und dort Screenshots des Chats veröffentlicht. Anlass bot eine Meinungsverschiedenheit über den Zustand einer veräußerten Computermaus. Nun finden sich private Nachrichten sowie auch ein Anwaltsschreiben für jedermann sichtbar im Internet.
Veröffentlichung von WhatsApp-Chat verletzt Persönlichkeitsrecht
Wiederholt haben sich die Gerichte mit der Veröffentlichung privater Nachrichten im Internet befasst. Rechtlich stellt die Veröffentlichung einer privaten WhatsApp-Nachricht regelmäßig eine Persönlichkeitsrechtsverletzung dar, gegen die sich der Verletzte mit einer anwaltlichen Abmahnung, dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung oder einer zivilgerichtlichen Klage wehren kann.
Das Persönlichkeitsrecht ist das Recht jedes Einzelnen auf Achtung und Entfaltung seiner Persönlichkeit. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist grundrechtlich geschützt in Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Es schützt mitunter:
[…] das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person und damit die Befugnis des Einzelnen, selbst zu entscheiden, wie er sich Dritten oder der Öffentlichkeit gegenüber darstellen will und inwieweit von Dritten über seine Persönlichkeit verfügt werden kann.
BGH, Urteil vom 25.10.2011, VI ZR 332/09
Will man es noch konkreter ausdrücken, kann auch sagen, dass die Weiterleitung einer WhatsApp-Nachricht einen Eingriff in das Recht am geschriebenen Wort (als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts) darstellt. Da die Zugänglichkeit des nicht öffentlich gesprochenen oder geschriebenen Wortes grundsätzlich der ungebundenen Entscheidungsgewalt des Äußernden unterliegt (Geigel Haftpflichtprozess, Kap. 23 Verletzung des Persönlichkeitsrechts Rn. 69, beck-online), darf allein der Äußernde auch frei über die Verbreitung in einem bestimmten Kreis oder die allgemeine Veröffentlichung bestimmen.
In diesem Zusammenhang sei betont, dass das Persönlichkeitsrecht auch das Recht beinhaltet, in gewählter Anonymität zu bleiben und die eigene Person nicht in der Öffentlichkeit dargestellt zu sehen (vgl. BVerGE 35, 202 [220]).
Das Landgericht München I hat mit Beschluss vom 08.03.2022 zum AZ 9 O 2749/22 (dieser wurde am 08.06.2022 nochmals bestätigt) in einer von unserer Kanzlei für einen Mandanten erstrittenen Unterlassungsverfügung einer Antragsgegnerin untersagt, Inhalte aus mehreren privaten WhatsApp Chatverläufen an Dritte weiter zu geben. Die Entscheidung ist mittlerweile rechtkräftig. Das Verfahren war mit Blick auf den Äußerungsumfang auch für uns etwas Besonderes. In dem Verfahren wurde erfolgreich gegen die Veröffentlichung bzw. das Inaussichtstellen der Veröffentlichung von 77 Äußerungen und auch Bildnissen unseres Mandanten vorgegangen.
Ausnahmsweise kann Weiterleitung von WhatsApp-Nachrichten gerechtfertigt sein
Es gibt einige wenige (zugegebenermaßen seltene) Ausnahmen, in denen eine Weiterleitung einer WhatsApp Nachricht gerechtfertigt sein kann. So entschied das Amtsgericht Köln mit Urteil vom 31.10.2023 zum AZ 126 C 318/23, dass die Veröffentlichung einer WhatsApp Nachricht in seltenen Ausnahmesituationen gerechtfertigt sein könne. In dem vom Amtsgericht zu bewertenden Fall hat das Gericht
Die Weiterleitung der WhatsApp-Nachricht stellt zwar einen Eingriff in das […] allgemeine Persönlichkeitsrechts dar. […]
Die Weiterleitung der WhatsApp-Nachricht war im vorliegenden Fall aber nicht rechtswidrig. Die Rechtswidrigkeit ist unter Berücksichtigung und Würdigung aller Umstände, insbesondere des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzustellen. Rechtswidrigkeit ist nur gegeben, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt. Dabei sind auf Seiten des Betroffenen die Schwere des Eingriffs und seine Folgen und das eigene Verhalten des Betroffenen zu berücksichtigen sowie in welcher Sphäre seiner Persönlichkeit und in welchem Bereich, insbesondere ob mit stärkerem oder schwächerem Persönlichkeitsbezug eingegriffen wurde. Aufseiten des Schädigers ist das Motiv und der Zweck des Eingriffs, die Art und Weise des Eingriffs sowie die Intensität des Eingriffs zu berücksichtigen.
Die schutzwürdigen Belange des Beklagten überwiegen das Schutzinteresse des Klägers. Das Gericht hat sich bei der durchzuführenden Interessen- und Güterabwägung von folgenden Überlegungen leiten lassen.
Der Kläger ist im vorliegenden Fall in seiner Sozialsphäre und nicht im Kernbereich seiner höchstpersönlichen, privaten Lebensgestaltung betroffen. Die Beurteilung, ob ein Sachverhalt diesem Kernbereich zuzuordnen ist, hängt davon ab, ob der Betroffene ihn geheim halten will, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt (vgl. BVerfGE 80, 367, 374; 109, 279, 314; BVerfG ZUM 2010, 243 Rn. 25 f., BGH, Urteil vom 25.10.2011, VI ZR 332/09, ZUM-RD 2012, 12). Die weitergeleitete Nachricht wurde, anders als zum Beispiel im Fall eines Tagebuchs, bei dem schriftliche Aufzeichnungen zum Verbleib in den eigenen vier Wänden erstellt werden, in Zusammenhang mit einem Thema aus der Sozialsphäre an einen Dritten gerichtet. Der Kläger reagierte mit der Nachricht auf eine Veröffentlichung des Beklagten in seiner Funktion als Vereinsmitglied im Rahmen einer öffentlichen geführten Diskussion. Da mit der Nachricht ein weiter Personenkreis, nämlich der Verein als solches betroffen war, ist der Grad des Interesse an der Geheimhaltung gering einzustufen, insbesondere da die Parteien nicht befreundet sind oder in einem sonstigen Vertrauensverhältnis stehen.
Das Bestimmungsrecht des Klägers bezüglich der Weiterleitung der WhatsApp-Nachricht war beschränkt. Tritt der Einzelne als ein in der Gemeinschaft lebender Bürger in Kommunikation mit anderen, wirkt er durch sein Verhalten auf andere ein und berührt er dadurch die persönliche Sphäre von Mitmenschen oder Belange des Gemeinschaftslebens, dann ergibt sich auf Grund des Sozialbezugs nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG eine Einschränkung des Bestimmungsrechts desjenigen, über den berichtet wird (vlg. BVerfGE 35, 202 [220] = NJW 1973, 1226 – Lebach; BVerfGE 97, 391 [406] = NJW 1998, 2889; BVerfG, NJW 2000, 2413 [2414]; NJW 2003, 1109 = AfP 2003, 43 [46]). Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall in dem Sinne übertragbar […]
AG Köln, Urteil vom 31.10.2023, 126 C 318/23
Wie aus den Urteilsgründen erkennbar handelt es sich um eine Ausnahme. Der Entscheidung des Amtsgerichts Köln lag eine besondere und seltene Fallkonstellation zugrunde. Der Inhalt der in dem Gerichtsverfahren gegenständlichen WhatsApp Kommunikation erfasste einen erweiterten Personenkreis und der seinerzeitige Kläger hat durch seine Kommunikationsführung die Kommunikationsebene auf Gemeinschaftsbelange bezogen. Eine solche Konstellation ist in Fällen der Weiterleitung von WhatsApp Chats eher selten anzutreffen.
Im Grundsatz ist die Weiterleitung von WhatsApp Nachrichten nicht gestattet!
Wann ist eine WhatsApp-Nachricht privat?
Aus dem Persönlichkeitsrecht ergibt sich, dass private Nachrichten nur mit Kenntnis und Einwilligung des betroffenen Gesprächspartners veröffentlicht werden dürfen. Bei Nachrichten, die über die WhatsApp Applikation versandt werden, handelt es sich regelmäßig um private Nachrichten. Denn die Kommunikation erfolgt zwischen den jeweiligen Nutzern des Chats-Programms.
Privat sind auch Nachrichten, die in einem WhatsApp-Gruppenchat veröffentlich werden. Diese sind nämlich auf die Mitglieder der geschlossenen Gruppe beschränkt. Ausnahmen könnten für besonders mitgliederstarke Gruppen gelten. Hier dürften aber Gruppen mit 20 Mitgliedern kaum ausreichend sein, um eine Öffentlichkeit zu begründen.
Anonymisierung der Personendaten des Chats-Users ist nicht immer ausreichend
Immerhin hat in dem eingangs genannten Fall der Forennutzer den Namen seines Chatpartners geschwärzt. Aber genügt diese Art der Anonymisierung?
Die bloße Schwärzung des Namens des Kommunikationspartners genügt jedenfalls dann nicht, wenn sich aus dem Inhalt der Nachrichten Rückschlüsse auf die Person ergeben. Dabei genügt es, wenn sich für nähere Bekannte oder Familienmitglieder der Person aus dem Inhalt der Nachricht ein Rückschluss auf die Person des Betroffenen eröffnet. Streng genommen muss die WhatsApp-Nachricht vor Veröffentlichung derart abgewandelt werden, dass sie schlicht nicht mehr individualisierbar ist und keinen Personenbezug mehr vermittelt.
Wie kann ich mich als Betroffener wehren?
Dem Betroffenen können gegen den Verletzer folgende Ansprüche zufallen, soweit deren Voraussetzungen gegeben sind:
- ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung der Chat-Inhalte,
- ein Anspruch auf Löschung der WhatsApp-Nachrichten aus dem Internet und
- ein Anspruch auf Auskunftserteilung über den Umfang der weiteren Verbreitung der WhatsApp-Nachrichten.
- Ferner ein Anspruch auf materiellen Schadensersatz sowie
- ein Anspruch auf Schmerzensgeld.
Unterlassungsanspruch
Der Primäranspruch auf Unterlassung stützt sich auf § 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 823 Abs. 1 BGB. Ein Verschulden setzt der Anspruch nicht voraus. Ohne das Einvernehmen des Betroffenen sind Veröffentlichungen aus WhatsApp Chats grundsätzlich unzulässig.
In seltenen Fällen kann es Ausnahmen geben. Dafür müssen allerdings Nachrichteninhalte der sog. Privatsphäre (oder der Sozialsphäre) zuzuordnen sein (Anmerkung: Nachrichten aus dem Bereich der Intimsphäre dürfen freilich nie veröffentlicht werden) und die – im Rahmen der Rechtswidrigkeit vorzunehmende umfassende Güter- und Interessenabwägung muss zugunsten eines öffentlichen Informationsinteresses ausfallen.
Die Rechtswidrigkeit entfällt bei der Veröffentlichung von privaten WhatsApp Nachrichten, die der Privatsphäre zuzurechnen sind, wenn das Allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht schwer betroffen ist und bei der Abwägung der Beeinträchtigung mit anderen Grundrechten, diese betroffenen Interessen als überwiegend angesehen werden müssen. Die Gerichte gehen bei einer Prüfung der Rechtsmäßigkeit einer Veröffentlichung mithin wie folgt for:
- Ist durch die Veröffentlichung der WhatsApp-Nachricht die Privatsphäre betroffen?
- Wie schwer wird das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen durch die Veröffentlichung beeinträchtigt?
- Überwiegen bei der Abwägung zwischen dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht und anderen Interessen (etwa das öffentliche Informationsinteresse) die letztgenannten?
Nur wenn auch das öffentliche Informationsinteresse gegenüber dem berechtigten Interesse des Nachrichten-Verfassers, mit dem Inhalt seines Schreibens nicht in der Öffentlichkeit präsentiert zu werden, überwiegt, kann die Veröffentlichung von WhatsApp-Nachrichten gestattet sein. In der Praxis sind solche Fälle eher selten. Hier sei beispielhaft auf den Fall verwiesen, in dem ein Brief (dessen Inhalt von öffentlichem Interesse ist) in amtlicher Funktion geschrieben und an einen Amtsinhaber mit dem Ziel gerichtet wird, rechtliche Schritte einzuleiten (BVerfG, NJW 1991, 2339). Zu hinterfragen wäre insoweit aber bereits, ob ein solcher Briefabsatz nicht ohnehin schon eher der (deutlich geringer geschützten) Sozialsphäre oder Öffentlichkeitssphäre als der Privatsphäre zuzuordnen wäre.
Zur Privatsphäre gehören solche Inhalte, die man nicht in die Öffentlichkeit getragen wissen will. Hierzu gehören etwa Vermögensangaben, der Wohnort oder Familienverhältnisse. Werden private Informationen über Sie veröffentlicht, müssen Sie als Betroffener dies nur dann hinnehmen, wenn ein besonderes Informationsbedürfnis der Informationsadressaten an diesen Inhalten besteht. Soweit Sie als Betroffener keinen „Prominentenstatus“ innehaben, wird es schwer ein solches Öffentlichkeitsinteresse an Ihren Nachrichteninhalten zu begründen.
Löschungsanspruch
Mit dem Unterlassungsanspruch einher gehen auch Löschungsansprüche, die auf derselben Anspruchsgrundlage wie der Unterlassungsanspruch fussen, im Gegensatz zum Unterlassungsanspruch aber nicht an die Rechtswidrigkeit der Handlung anknüfen, sondern auf die Rechtswidrigkeit der Folgen abstellen (BGH, Urteil vom 28.07.2015, VI ZR 340/14).
Der Löschungsanspruch setzt voraus, dass die streitgegenständliche WhatsApp-Nachricht noch immer im Internet abrufbar ist.
Anspruch auf Auskunftserteilung
Dem Verletzten steht aus den §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 1004 Abs. 1, 242 BGB i. V. m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG gegen den Verletzer grundsätzlich auch ein Anspruch auf Auskunft über weitere Veröffentlichungsplattformen zu (AG Hamburg, Urteil vom 21.02.2011, 36A C 243/10). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Auskunft zur Beantwortung der Frage, ob aufgrund der Persönlichkeitsrechtsverletzung ein Anspruch auf Geldentschädigung und/oder ein Anspruch auf Widerruf und ggf. in welcher Höhe und Form besteht, unabdingbar ist.
Anspruch auf Schadensersatz
Erfolgt die Veröffentlichung der WhatsApp Nachricht widerrechtlich und schuldhaft, so steht dem Verletzten auch ein Ansprch auf Schadensersatz aus §§ 823 Abs. 1 i. V. m. 249 ff. BGB zu. Im Gegensatz zum Unterlassungsanspruch ist für den Schadensersatz ein Verschulden i. S. d. § 276 BGB erforderlich.
Der Schadensersatzanspruch richtet sich auf den Ersatz des verletzungsbedingt erlittenen Vermögensschadens. Ein Unternehmer, der etwa einen Auftrag aufgrund der rechtswidrigen Veröffentlichung der WhatsApp Nachricht verliert, kann den Auftragsausfallschaden vom Verletzer ersetzt verlagen. Auch die außerordentliche Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses und die damit einhergehenden Einkommensnachteile können als Schaden zu Buche schalgen.
Schmerzensgeld
Der Anspruch auf „Schmerzensgeld“ bzw. Geldentschädigung des Verletzten ist als Anspruch in Rechtsfortbildung praeter legem anerkannt. (BGH, Urteil vom 14.02.1958, I ZR 151/56; BVerfG, Beschluss vom 14.02.1973, 1 BvR 112/65).
Das Schmerzensgeld wird allerdings nur in Ausnahmefällen gewährt. Die Veröffentlichung der WhatsApp-Nachricht muss einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Verletzten darstellen, dessen Beeinträchtigung nicht in anderer Weise (z. B. durch eine Gegendarstellung) ausreichend kompensiert bzw. ausgeglichen werden kann.
Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, also das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen.
OLG Hamm, Urteil vom 22.11.2018, 4 U 140/17
Androhung der Veröffentlichung von WhatsApp-Nachrichten genügt
Auch gegen lediglich angekündigte Veröffentlichungen von WhatsApp-Nachrichten kann man vorgehen. Ein Betroffener muss nicht sehenden Auges zuwarten, bis der Androhung Taten folgen.
Die Rechtsprechung schützt Betroffene bereits vor einer Veröffentlichung und gesteht diesen einen äußerungsrechtlichen Unterlassungsanspruch auch zur Ausräumung einer Erstbegehungsgefahr aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zu (BGH, Urteil vom 09.03.2021, VI ZR 73/20).
Mit einer von unseren Rechtsanwälten vor dem Landgericht in München am 08.03.2022 erwirkten einstweiligen Verfügung sind wir (für einen unserer Mandanten) gegen die bloße Ankündigung der Veröffentlichung von WhatsApp Chat-Inhalten wirksam vorgegangen. Die angegriffenen Nachrichteninhalte wurden größtenteils noch gar nicht an Dritte weitergeleitet.
Dennoch folgte die Kammer unserer Ansicht und sah in der Androhung der Antragsgegnerin (Details aus den Chats an andere Personen weiter zu geben) eine hinreichend ernstliche Ankündigung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung. Nur einen Tag nach unserer Antragstellung untersagte das Gericht der Antragsgegnerin kurzerhand die angedrohte Veröffentlichung (LG München I, Beschluss vom 08.03.2022, 9 O 2749/22).
Achten sollte man als Betroffener allerdings auf die hinreichende Bestimmtheit der Unterlassungsanträge. Immer wenn ein auf Erstbegehungsgefahr gestützter Unterlassungsanspruch vorbeugend geltend gemacht wird, stellt sich nämlich das Problem, dass man oft gar nicht genau weiß, in welcher Art und Weise (und wem gegenüber) die Veröffentlichung der WhatsApp-Nachrichten konkret erfolgen wird. Der Bundesgerichtshof hat mittlerweile hinreichend geklärt, wie man als Betroffener insoweit sein Begehren ausformulieren muss.
Wird demgegenüber wie im Streitfall ein auf Erstbegehungsgefahr gestützter Unterlassungsanspruch vorbeugend geltend gemacht, kommt es – soweit die konkret erwartete Verletzungsform im Einzelfall ungewiss bleibt – maßgeblich darauf an, ob das Klagebegehren im Rahmen des dem Kläger Möglichen und zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes für beide Seiten Gebotenen hinlänglich eindeutig formuliert ist und als Urteilstenor vollstreckbar wäre.
Auszug aus der Entscheidung des BGH vom 09.03.2021 zum Aktenzeichen VI ZR 73/20
Abmahnung, einstweilige Verfügung und Klage
Die Ansprüche kann der Verletzte über eine anwaltliche Abmahnung, eine einstweilige gerichtliche Unterlassungsverfügung und/oder die zivilgerichtliche Klage verfolgen.
- Für gewöhnlich wird im ersten Schritt eine Abmahnung augesprochen. Mit der Abmahnung wird dem Verletzter außergerichtlich Gelegenheit gegeben, die Ansprüche zu erfüllen. Im Falle der berechtigten Abmahnung steht dem Verletzten auch ein Anspruch gegen den Rechteverletzer auf Erstattung der ihm erwachsenen Rechtsanwaltsgebühren zu.
- Die einstweilige Verfügung setzt neben dem Bestehen des Verfügungsanspruchs auch einen Verfügungsgrund voraus. Der Verfügungsgrund liegt in der besonderen Dringlichkeit, die eine sofortige Regelung der Angelegenheit erforderlich macht. Im Wege der einstweiligen Verfügung wird insoweit – der Dringlichkeit wegen zumeist ohne mündliche Verhandlung – dem Antragsgegner verboten, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, im Internet [URL …], die persönlich an ihn gerichtete (konkrete) Mitteilung des Verletzten zu veröffentlichen.
- Weiterhin bleibt dem Verletzten auch die Möglichkeit im Wege der klassischen Unterlassungsklage (zumeist vor dem sachlich zuständigen Landgericht) seine Ansprüche geltend zu machen.
Veröffentlichung von WhatsApp-Nachrichten ist datenschutzwidrig
Darüber hinaus ist die Veröffentlichung einer WhatsApp-Nachricht auch datenschutzrechtlich bedenklich. Zwar ist die Datenschutzgrundverordnung nach Art. 2 Abs. 2 c) DSGVO nicht anwendbar auf eine Verarbeitung personenbezogener Daten durch natürliche Personen, soweit diese in ausschließlicher Ausübung persönlicher oder familiärer Tätigkeiten erfolgt. Allerdings ist der Anwendungsbereich eng auszulegen. So beschränkt sich die zulässige Datenverarbeitung zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten etwa auf Nutzungen, wie diese z. B. im Rahmen eines Schriftverkehrs oder bei der Führung von Anschriftenverzeichnissen erfolgen.
Keinesfalls ist die Veröffentlichung eines Whats-App Chats in einem Internetforum oder die Weiterleitung von Screenshots mit Nachrichteninhalten als „in ausschließlicher Ausübung persönlicher oder familiärer Tätigkeiten“ anzusehen.
Dem Verletzten bleibt insoweit unbelassen, den Verstoß auch dem jeweiligen Landesdatenschutzbeaufragten zu melden. Oftmals schneller und effizienter stellt sich freilich die persönlichkeitsrechtliche Vorgehensweise dar, auf die im Vorstehenden eingegangen wurde.
Verstoß gegen die WhatsApp Nutzungsbedingungen
Die Veröffentlichung privater Chat Inhalte verletzt im Übrigen auch die WhatsApp Nutzungsbedingungen. Die WhatsApp Inc. bestimmt in ihren AGB im Abschnitt „Rechtmäßige und zulässige Nutzung“, dass der Nutzer die Dienste nur „für rechtmäßige, berechtigte und zulässige Zwecke […] nutzen [darf]“. Als Verletzter können Sie den Verstoß melden an: WhatsApp Inc., 1601 Willow Road, Menlo Park, California 94025, USA, ip@whatsapp.com.