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Dürfen Hersteller den Händlern Vertriebswege verbieten?
Verkaufsplattformen wie eBay oder der amazon Marketplace bieten unzähligen Händlern die Möglichkeit, Produkte flächendeckend zu veräußern. Doch Hersteller wollen mitunter Einfluss auf die Vertriebswege haben. Der Vertrieb von Markenwaren namenhafter Hersteller über Verkaufsplattformen wie ebay.de oder amazon.de entfacht immer wieder kartellrechtliche Debatten.
Bei einem sogenannten „selektiven Vertriebssystem“ bestimmt der Hersteller eines Produktes, welche Händler sein Produkt verkaufen dürfen und welche nicht. Hiermit will ein Hersteller erreichen, dass nur solche Verkäufer sein Produkt veräußern, die seinen Vorstellungen entsprechen, das heißt, dass dieser Händler bestimmte Voraussetzungen beim Verkauf erfüllen muss. Beim Betreiben selektiver Vertriebssyteme können immer wieder auch Randthematiken von Interesse sein – schließlich eollen Hersteller nicht selten ein möglichst umfangreiches Mitspracherecht haben.
Am Beispiel einer Auseinandersetzung im Hinblick auf den Vertrieb von bekannten Markenrucksäcken, möchte ich diese Thematk einmal näher beleuchten. In dem Beipielsfall wurde herstellerseits die Lieferung der Rucksäcke an den Fachhandel (in einem selektiver Vertriebssystem) an die Bedingung geknüpft, die Produkte nicht über eine Online-Verkaufsplattform anzubieten und/oder diese über Preisvergleichsportale zu bewerben. Doch ist eine solche Bedingung rechtens?
Die im konkreten Fall wollte die betroffene Fachhändlerin diese Frage zivilrechtlich entschieden wissen und reichte Klage am Landgericht Frankfurt ein. Das Landgericht gab zunächst der Händlerin Recht und folgte der Auffassung in der regelmäßigen Beschlussübung des Bundeskartellamtes sowie auch jener des OLG Schleswig aus dem Urteil vom 05.06.2014 zum Aktenzeichen 16 U (Kart) 154/13. In der vereinbarten Vertriebs(wegs)einschränkung sah das Landgericht Frankfurt eine unbegründete Wettbewerbsbeschränkung. Es existiert nämlich ein grundsätzliches Verbot über wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen.
Nach § 1 GWG sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, verboten.
Wettbewerbseinschränkungen sind verboten
Auch in der Europäischen Union existieren korrespondierende Bestimmungen, die gezielte Wettbewerbsverfälschungen oder Wettbewerbseinschränkungen untersagen.
Getreu Art. 101 Abs. 1 AEUV ist es mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten, wenn zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen aufgegriffen werden, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken, insbesondere die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen; die Einschränkung oder Kontrolle der Erzeugung, des Absatzes, der technischen Entwicklung oder der Investitionen; die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen;
die Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden; die an den Abschluss von Verträgen geknüpfte Bedingung, dass die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen.
Zustimmung für den Hersteller
Zur Verwunderung vieler Juristen, änderte das Oberlandesgericht Frankfurt mit Urteil vom 22.12.2015 zum Aktenzeichen 11 U 84/14 (Kart) in der Berufung das Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 18.06.2014, 2-03 O 158/13, teilweise ab. Der Kartellsenat des OLG Frankfurt sah in dem Verbot des Vertriebs über Internetplattformen keine Wettbewerbsbeschränkung. Insoweit hatte die Berufung der Herstellerin der Rucksäcke Erfolg und das vereinbarte Verkaufsverbot mit dem Ziel, die Rucksäcke nicht auf online Verkaufsplattformen zu verkaufen, wurde für zulässig erklärt.
Kaum verwunderlich erklärte das OLG Frankfurt aber das Verbot über die Bewerbung der Produkte über Preisvergleichsportale als kartellrechtlich unzulässig. Der Hersteller missbrauche insoweit seine (durch die Abhängigkeit der Händler bestehende) Stellung, soweit er den Händler verbiete, seine Markenprodukte über Preissuchmaschinen zu bewerben. Dies sei zur Aufrechterhaltung des Rufes einer Marke nicht von Nöten, da Preissuchmaschinen in den Augen der Verbraucher nicht dem unmittelbaren Verkauf dienten, sondern lediglich dem Auffinden von Händlern, die das gesuchte Produkt anbieten. Dem Markenimage stehe nicht entgegen, dass durch die Anhäufung von gleichförmigen Produktabbildungen und Preisangaben beim potentiellen Käufer der monotone Eindruck einer massenhaften Verfügbarkeit entstehe.
Im Übrigen gab der erste Kartellsenat jedoch der Herstellerin Recht. In der Begründung führte der Kartellsenat des OLG Frankfurt aus, dass ein Hersteller generell durch ein selektives Vertriebssystem den Schutz seiner Marke steuern dürfe, indem der Vertriebsweg festgelegt werde. Bei einer Online Verkaufsplattform wie eBay oder amazon, ist nach Ansicht des Kartellsenats, das Herstellerinteresse entscheidend und somit ausschlaggebend. In dem vorliegenden Fall überwiege somit das Interesse der Herstellerin der Rucksäcke, an einer qualitativen und persönlichen Beratung in einem Fachhandel, in welchem potenziellen Käufern die Produktqualität hinreichend dargelegt werden könne. Weiterhin habe ein Hersteller einbegründetes Interesse daran, Einfluss auf Drittanbieterbestimmungen zu nehmen. Denn bei Verkaufsplattformen wie ebay oder amazon greifen auch deren AGB im Verhältnis zum Händler und Kunden. Daraus resultiere eine Vertragsbeziehung mit der Plattform, die der Hersteller nicht vereinbart hat und in deren Geschäftsvorgänge der Hersteller keine Einsicht und Wirkungsmöglichkeit erhalte.
Debatte über den Vertrieb auf eBay oder amazon
Ähnlich entschied das OLG Karlsruhe mit Urteil vom 25.11.2009 zum Aktenzeichen 6 U 47/08 (Kart). Das Rechtsmittel der Berufunglegte die Klägerin, ebenfalls Fachhändlerin, ein, da in erster Instanz die Klage abgewiesen wurde. Streitpunkt der Auseinandersetzung war ebenfalls der Vertriebsweg der Produkte über Onlineplattformen wie eBay. Die Händlerin hat die Produkte aus ihrem Fachgeschäft im Internet zum Kauf angeboten, deren Internetpräsenz auf eBay jedoch vom Hersteller nicht vorgesehen war. Der vereinbarte Vertriebsweg läuft über sogenannte „zugelassene Vertriebspartner“, die vom Hersteller ausgewählt werden. Die Beklagte stellte eigene Kriterien für die Aufnahme als Vertriebspartner ihrer Firma auf. Dazu gehört die Bedingung, dass der Vertriebspartner über einen eigenen Fachhandel verfügt, in dem die Kunden individuell und kompetent beraten werden, welcher Rucksack für sie im Einzelnen der richtige ist. Dabei sollen die Verkäufer besonders über die Markenrucksäcke geschult werden. Diese Bedingungen sollen das Ansehen der Marke stützen und weiterhin aufrecht halten. Dieser Ansicht folgte das OLG in seinem Urteil. Die von dem Hersteller aufgestellten Kriterien für die Aufnahme als „zugelassener Vertriebspartner“ sind als selektives Vertriebssystem anzusehen. Unter gewissen Bedingungen ist ein solches System vom Anwendungsbereich des Kartellverbots nach Art. 101 Abs. 1 AEUV und § 1 GWB ausgenommen.
Grenzen selektiver Vertriebssysteme
Entscheidend dafür ist, dass die Auswahl der Verkäufer einheitlich und diskriminierungsfrei getroffen wurde.
Eine solche Auswahl lag nach Ansicht des OLG vor. Dem Urteil aus Frankfurt ähnlich, ist auch bei dieser Auseinandersetzung zwischen Hersteller und Wiederverkäufer, auf das Interesse des Herstellers seine Produkte durch die Art des Vertriebes als Qualitätsware anzubieten abzustellen. Weiter wurde entschieden, dass der Vertrieb des Fachhändlers der Rucksäcke über eBay mit den getroffenen Bedingungen für einen Vertriebspartner nicht übereinstimmen und der Belieferungsstopp mit Rucksäcken nicht gegen das Kartellverbot verstößt.
BKartA sieht eine Benachteiligung für die Händler
Die Urteile aus Frankfurt und Karlsruhe kollidieren mit der stetig bekräftigten Auffassung des Bundeskartellamtes. Das Kartellamt sah in anderen Fällen ein selektives Vertriebssystem als kartellverbotswidrig an. Das Bundeskartellamt stellt auf das gesteigerte Interesse des Fachhändlers ab. Kleinere Geschäfte werden mit einem Verkaufsverbot auf eBay oder amazon benachteiligt. Regelungen in einem selektiven Vertriebssystem können insoweit leicht mit dem Kartellverbot kollidieren, welches Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die eine Einschränkung des Wettbewerbs bewirken, untersagt.