Zug fährt nicht weiter – Bahn-Passagiere sollen aussteigen Vertragsrecht

Zug fährt nicht weiter – Bahn-Passagiere sollen aussteigen

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Wenn sehr viele Bahn-Passagiere ein und denselben Zug nutzen möchten, kann es zu Problemen kommen. Die Überfüllung des Schienenfahrzeugs kann ein Sicherheitsrisiko darstellen. Zur Abwendung solcher Risiken kommt es gelegentlich vor, dass die Bahn zu drastischen Maßnahmen greift. Kunden fordern dann mitunter Schadensersatz.

Am 30.09.2016 hielt auf der Strecke von Hannover nach München ein ICE. Viele der Passagiere wollten zum Oktoberfest. Sie hatten zwar eine gültige Fahrkarte, aber keinen (reservierten) Sitzplatz. Somit standen viele Menschen in den Gängen der Zugabteile. Mit Rücksicht auf die Überfüllung der Abteile sah sich der Zugführer zu einer Durchsage veranlasst.

Über die Zuglautsprecher wird verkündet:

„Der Zug fährt nicht weiter, solange die Passagiere aus den Gängen nicht aussteigen.“

Zug überfüllt – Bahn fordert ICE Passagiere zum Aussteigen auf

Als Ausstiegsmotivation wurde den Bahnkunden eine Entschädigung in Form eines 25 € Gutscheins der Deutschen Bahn angeboten. Die meisten Passagiere waren verstimmt über das Verhalten der Bahn.

Aber wie kommt es dazu, dass die Züge so voll sind?

Im Vergleich zu anderen Ländern gibt es in Deutschland keine Reservierungspflicht. So wird eine größtmögliche Flexibilität für Bahn und Kunde ermöglicht. Da die Zahlen der Passagiere täglich schwanken, ist es nur sehr schwer abzuschätzen, wie viele Passagiere in einen Zug einsteigen werden. Gerade diejenigen, die nicht frühzeitig ein einzelnes Ticket bei der Bahn lösen, sondern die Monatskarten oder Karten ohne Zugbindung o.ä. besitzen, erschweren die Kalkulationsplanung.

Zukünftig möchte das Unternehmen den überfüllten Zügen mit mehr Informationen entgegenwirken.

Die Bahn will vermehrt den Dialog suchen.

Im Internet, am Automaten und beim persönlichen Verkauf soll auf besonders stark frequentierte Züge hingewiesen werden.

Ob dies eine dauerhafte Lösung verspricht, bleibt abzuwarten. Denn schließlich können sich die Reisenden aufgrund des „offenen Systems“ weiterhin für die Nutzung dieser Züge entscheiden.

Ab wann gilt ein Zug als überfüllt?

Aus Sicherheitsgründen darf ein Zug nicht mit mehr als 200 Prozent der verfügbaren Sitzplatzzahl besetzt sein. Dies besagt eine interne Bahnregelung. 200 Prozent entprächen bei einem typischen ICE mit 750 Sitzplätzen rund 1.500 Passagieren. Entscheidend ist aber nicht allein die Zahl der Mitreisenden, sondern auch die Gewährleistung der Sicherheit im Zug. Deshalb dürfen die Gänge auch nicht mit Gepäck versperrt werden.

Welche Regelungen gelten für Kunden der Deutschen Bahn AG

Für Reisende der Deutschen Bahn AG gelten zunächst einmal die Beförderungsbedingungen der Deutschen Bahn AG. Daneben gibt es auf bestimmten Strecken und in gesonderten Tarifen noch die Internationale Beförderungsbedingungen der Deutschen Bahn AG sowie separate Tarifbestimmungen. Weiterhin greifen die Regularien der Eisenbahn-Verkehrsordnung. All diese Regelungswerke sehen „Engpass-Regularien“ vor, auf die im Folgenden im einzelnen noch eingegangen wird.

Darf man im überfüllten Zug die Plätze der ersten Klasse nutzen?

Bahn
Bahn fordert Passagiere zum Aussteigen auf

Die Bahn wird bezüglich ihrer „Engpass-Regularien“ oftmals kritisiert. Nicht selten wird der Bahn von enttäuschten Passagieren eine mangelhafte Planung nachgesagt. Viele Kunden belassen es nicht bei der Kritik, sondern suchen ihr Heil in der „Selbsthilfe“. Der Gedanke ist bei Bahnkunden weit verbreitet, dass man bei einem überfüllten Zug auf die Plätze der ersten Klasse ausweichen düfe (selbst wenn man keine entsprechende Fahrkarte gelöst habe). Mit Blick auf die Gesetzeslage muss dem eine klare Absage erteilt werden. Maßgeblich sind die Bestimmungen der Einebahn-Verkehrsordnung.  Diese findet grundsätzlich auf die Beförderung von Personen und Reisegepäck durch öffentliche Eisenbahnen Anwendung. Mit Blick auf § 13 Abs. 1 S. 2 EVO besteht kein Anspruch von Bahnkunden der zweiten Klasse auf eine höhrere Klasse – auch nicht bei einer Überfüllung.

„Der Reisende hat Anspruch auf Beförderung in der Klasse, auf die sein Fahrausweis lautet. Ein Anspruch auf einen Sitzplatz oder auf Unterbringung in der 1. Klasse bei Platzmangel in der 2. Klasse besteht nicht.“

Was darf die Bahn entscheiden?  Muss ein Zug-Passagier aussteigen?

Wann aus Sicherheitsgründen die teureren Plätze auch von Reisenden der zweiten Klasse genutzt werden dürfen, kann im Einzelfall das Eisenbahnpersonal bestimmen. Aus Sicherheitsaspekten kann die Bahn aber auch andere Maßnahmen ergreifen.

Die Zugbegleiter entscheiden, wer aus einem überfüllten Zug aussteigen muss und wer nicht.

Generell dürfen die Fahrgäste, die einen Sitzplatz reserviert haben, auch sitzen bleiben. Beförderungsausschlüsse können sich aber für solche Personen ergeben, die eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung des Betriebes oder für die Sicherheit der Mitreisenden darstellen oder den Anordnungen des Eisenbahnpersonals nicht folgen.

Das Verkehrsunternehmen kann ausweislich seiner eigenen Beförderungsbedingungen für bestimmte Züge gar eine Reservierungspflicht festlegen. Der Anspruch des Bahnkunden auf den von ihm kostenpflichtig reservierten Sitzplatz erlischt, wenn er nicht durch den Reisenden 15 Minuten nach Abfahrt des Zuges von dem Bahnhof, ab dem die Reservierung erfolgt ist, eingenommen wurde.

Was passiert, wenn nicht genug Menschen freiwillig aussteigen?

Nach § 13 Abs. 1 der Eisenbahnverkehrsordnung gilt zwar der Grundsatz, dass jeder Reisende einen Anspruch auf Beförderung hat, allerdings kann dieser Grundsatz aus Sicherheitsgründen nicht immer eingehalten werden. Meistens steigen die Passagiere auf eine entsprechende Aufforderung der Bahn hin freiwillig aus. Sollte das nicht der Fall sein, darf die Polizei den Zug räumen.

Im Falle des betroffenen ICE erhielt jeder ausgestiegene Passagier als Entschädigung einen 25 € Gutschein der Deutschen Bahn und zudem die Möglichkeit einen der folgenden Züge zu nutzen. Vielen Bahnkunden kam diese Entschädigung allerdings als zu gering vor.

Die wichtigsten Ansprüche der Bahnkunden – wer darf Schadensersatz fordern?

Soweit es keinen folgenden Zug gibt und auch kein anderes öffentliches Verkehrsmittel zur Verfügung  steht, darf sich der Reisende ein Taxi nehmen und den Betrag – in einer Höhe von maximal 80 € – von der Bahn erstatten lassen. Ebenfalls besteht die Möglichkeit, die Kosten für ein angemessenes Hotelzimmer für eine Nacht ersetzt zu bekommen. Diese Regelungen geltend allerdings nur von Mitternacht bis fünf Uhr morgens.

Betroffene Reisende sollten aus Beweisgründen die entschädigungsauslösenden Umstände penibel dokumentieren. Denn den Kunden trifft im Entschädigungsfall die Darlegungs- und Beweislast.

Ob ein Fahrgast im Falle einer Verspätung sein Geld zurück bekommt, wird in § 18 EVO sowie auch in den Abschnitten über Fahrgastrechte in den Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Bahn geregelt. Bei mehr als einer Stunde Verspätung oder einem Ausfall des Zuges können die Fahrgäste das Geld für die Fahrkarte zurückverlangen. Wie viel Geld erstattet wird, hängt von der Dauer der Verspätung und der Strecke ab, die bereits zurückgelegt wurde.

Wenn Reisende mit einer Fahrkarte der Produktklassen ICE, IC/EC oder mit einer zuggebundenen Fahrkarte am Zielbahnhof gemäß Beförderungsvertrag mit einer zwangzigminütigen oder höheren Verspätung eintreffen, hat er die Wahl zwischen der Fortsetzung der Fahrt oder der Weiterreise mit geänderter Streckenführung bis zum Zielbahnhof bei nächster Gelegenheit oder der Fortsetzung der Fahrt oder der Weiterreise mit geänderter Streckenführung bis zum Zielbahnhof zu einem späteren Zeitpunkt. Der Passagier kann dabei auch den Zug einer höherwertigen
Produktklasse benutzen. Die Benutzung eines reservierungspflichtigen Zuges oder eines Sonderzuges ist allerdings nicht gestattet.

Grundsätzlich kann man als Bahnkunde gegenüber der Deutschen Bahn AG immer nur Ansprüche auf den Transport an sich – aber keine Ansprüche mit Rücksicht auf den Komfort der Reise – geltend machen.

Selbst wenn man eine gültige Sitzplatzreservierung vorweisen kann, gibt es keinen Anspruch auf einen Sitzplatz.

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