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In den Presseberichten dieser Woche war wieder von den massenhaften Krankmeldungen der Mitarbeiter der Fluggesellschaft TUIfly GmbH mit Sitz in Langenhagen aus der vergangenen Woche zu lesen. TUIfly hatte den Flugbetrieb am 07.10.2016 größtenteils eingestellt. Nach der Pressemitteilung von TUIfly sollen 9.700 Reisende betroffen gewesen sein. Dennoch will TUIfly keine Entschädigung zahlen.
Nach der Pressemitteilung des Unternehmens seien viele der Krankmeldungen kurzfristig erfolgt und erstreckten sich auf Piloten und Flugbegleiter. Nun stellt sich die Frage, welche Ansprüche die betroffenen Passagiere haben. TUIfly selbst hatte in dieser Woche mitgeteilt keine Entschädigung leisten zu wollen. Ist dies mit dem hiesigen Reiserecht in Einklang zu bringen?
Über TUIfly und die Flugstreichungen
Die TUIfly GmbH ging aus der Hapag-Lloyd Fluggesellschaft mbH hervor. Im Jahre 2007 wurde dann nach mehreren Übernahmen die Bezeichnung TUIfly verwandt, welche Hapagfly und Hapag-Lloyd Express ersetzte. Laut Handelsblatt Ausgabe Nr. 101 vom 27.05.2014, S. 25 beschäftigte das Unternehmen vor etwa 2 Jahren ca. 2.400 Mitarbeiter.
Für den nachstehenden Beitrag dürfte folgende Information von vorangigem Interesse sein. Die Vertragspartnerin für alle über die Website www.tuifly.com gebuchten Flugleistungen, ist ausweilich der ABB von TUIfly.com die TUIfly Vermarktungs GmbH mit Sitz in der Karl-Wiechert-Allee 23 in 30625 Hannover. Die TUIfly Vermarktungs GmbH ist eine Tochter der TUI Deutschland GmbH. Ihr Unternehmensgegenstand ist der Vertrieb und die Vermarktung touristischer Dienstleistungen. Als Fluggesellschaft ist die TUIfly Gmbh ausgewiesen.
In der Mitteilung der TUIfly Pressetelle vom 06.10.2016 hieß es, dass „TUIfly […] den Flugbetrieb für den 7. Oktober weitestgehend aussetzt [… ] 108 Flüge für [den 7.10. wurden] abgesagt / 9.700 Gäste betroffen […]“ Weiter ließ das Unternehen verlauten, dass „die kurzfristigen Krankmeldungen des Cockpit- und Kabinenpersonals der Fluggesellschaft TUIfly [an]halten [würden] und […] es dem Unternehmen […] unmöglich [machten], ihren Flugbetrieb weiter aufrecht zu halten. […] Auch in den kommenden Tagen [könne] es zu weiteren Flugstreichungen kommen.“ Das Unternehmen stellte im folgenden heraus, dass die kurzfristigen Krankmeldungen es TUIfly unmöglich machen würden, die Fluggäste frühzeitiger zu informieren und ihnen alternative Reisemöglichkeiten anzubieten.
Mit Pressemitteilung vom 9. Oktober 2016 teilte die Gesellschaft mit, dass am vergangen Sonntag insgesamt 114 Flüge starten würden und die Fluggäste in ihre Urlaubsgebiete und wieder zurück bringen würden, sobei es noch vereinzelt zu Verzögerungen kommen könne.
Die Fluggastrechteverordnung
Die Fluggastrechteverordnung ist seit dem 17.02.2005 auch in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Konkret ist die Rede von der 1. Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91.
Die Fluggastrechteverordnung definiert Fluggast-Mindestrechte
…indem Rechte statuiert werden bei Nichtbeförderung gegen den Willen der Reisenden, Annullierung des Fluges und/oder Verspätung eines Fluges.
Die Fluggastrechteverordnung gilt für Fluggäste, die auf Flughäfen u.a. in Deutschland (oder in anderen Mitgliedstaaten der EU), einen Flug antreten. Voraussetzung ist, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen ein solches der Gemeinschaft ist.
Muss eine Airline bei Annullierung eines Fluges für eine Ersatzbeförderung sorgen?
Getreu Art. 5 Fluggastrechteverordnung hat ein Luftfahrtunternehmen im Falle der Annullierung eines Fluges mehre Pflichten zu erfüllen.
Unterstützungsleistungen und Ausgleichsleistungen
So hat das Unternehmen den betroffenen Fluggästen grundsätzlich verschiedene Unterstützungsleistungen anzubieten (auf diese wird im Folgenden noch eingegangen) und Ansprüche auf Ausgleichsleistungen einzuräumen.
Doch es gibt Ausnahmen von diesem Grundsatz. So gelten vorstehende Grundsätze nicht, wenn die Fluggäste mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit über die Flugsannullierung unterrichtet werden. Ferner gelten die Grundsätze der Ausgleichsleistungspflicht nicht, wenn die Fluggäste zwischen 14 und 7 Tagen vor der Abflugzeit über die Annullierung in Kenntnis gesetzt werden und ein Angebot zur anderweitigen Beförderung erhalten. Dabei muss das Angebot es ihnen ermöglichen, nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen. Außerdem greifen die Ausgleichspflichten nicht, wenn die Fluggäste kurzfristig von der Annullierung unterrichtet werden, zugleich aber ein Angebot zur anderweitigen Beförderung erhalten, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.
Zu den Sorgfaltspflichten des Flugunternehmens gehört es in jedem Falle, die Fluggäste über die Annullierung zu unterrichten und Angaben zu einer möglichen anderweitigen Beförderung zu treffen. Die Beweislast über das ob und wann der Unterrichtung der Fluggäste obliegt dem Luftfahrtunternehmen.
Annullierung muss nicht immer Ausgleichszahlungen begründen
Nicht in jedem Falle stehen betroffenen Reisenden Ausgleichszahlungen zu.
Das ausführende Luftfahrtunternehmen ist dann nicht zur Leistung von Ausgleichszahlungen verpflichtet, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
Soweit das Flugunternehmen unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze verpflichtet ist, Ersatzbeförderungen zu gewähren, gilt folgendes. Die Fluggesellschaft ist gemäß Art. 8 der Fluggastrechteverordnung dazu verpflichtet, die Ersatzbeförderungen für die Passagiere zu organisieren. Anspruch hat der Fluggast auf eine anderweitige Beförderung zum Reiseziel, die unter vergleichbaren Reisebedingungen steht und lediglich zu einem anderen Zeitpunkt (bei Verfügbarkeit freier Plätze) durchgeführt wird. Anstelle der Ersatzbeförderung können die Fluggäste auch auf einer Erstattung der Flugscheinkosten beharren. Dies gilt getreu Art. 8 Abs. 2 Fluggastrechteverordnung auch für solche Fluggäste, deren Flüge Bestandteil einer Pauschalreise sind, wobei der Anspruchs auf Erstattung dann ausgeschlossen ist, sofern dieser sich aus der Richtlinie 90/314/EWG (Pauschalreiserichtlinie) ergibt.
Tipp für Reisende, die sich für die Ersatzbeförderung entscheiden
In solchen Fällen ist es ratsam auf die Organisation der Ersatzbeförderung durch die Airline zu bestehen und nicht eigenständig neue Flüge zu buchen.
Denn lehnt man das Angebot der Airline ab und kümmert sich eigenständig um die weitere Reise, so erlischt der Anspruch auf eine Ersatzbeförderung. Auch die Kosten des bereits gebuchten Fluges werden in einem solchen Falle nicht übernommen.
Was ist mit eventuellen Zusatzkosten? Darf der Reisende Betreuungsleistungen fordern?
Oft ist es so, dass Ersatzflüge zu einer verspäteten Heimreise führen können. Je nach Dauer der höheren Aufenthaltsdauer können Zusatzkosten aufgrund einer Flugannullierung (etwa für eine Übernachtung) entstehen. Reiserechtlich spricht man von unentgeltlichen Betreuungsleistungen, die ein Flugunternehmer offereiren muss.
Im Rahmen der Verspätung oder Annullierung eines Flugs müssen die Fluggesellschaften den Passagieren gemäß Art. 9 Abs. 1 der Fluggastrechteverordnung folgende Betreuungsleistungen zur Verfügung stellen:
- Mahlzeiten und Erfrischungen in angemessenen Verhältnis zur Wartezeit,
- Hotelunterbringung, falls
- ein Aufenthalt von einer oder mehreren Nächten notwendig oder
- ein Aufenthalt zu dem vom Fluggast beabsichtigten Aufenthalt notwendig ist,
- Beförderung zwischen dem Flughafen und dem Ort der Unterbringung.
Welche Ansprüche haben die Fluggäste noch?
Wird Fluggästen gegen ihren Willen die Beförderung verweigert, so hat das ausführende Luftfahrtunternehmen diesen unverzüglich Ausgleichs- und Erstattungsleistungen gem. Art. 7 und Art. 8 Fluggastrechteverordnung sowie auch Betreuungsleistungen gemäß den Art. 9 Fluggastrechteverordnung zu gewähren.
Die Höhe der Ausgleichsleistungen wird dabei durch Art. 7 der Fluggastrechteverordnung festgelegt. Diese liegt je nach Entfernung des Ziels zwischen 250 Euro und 600 Euro.
Informationspflichten gegenüber Fluggästen
Weiter sind die Fluggesellschaften nach Art. 14 der Fluggastrechteverordnung dazu verpflichtet, die Fluggäste über ihre Rechte zu informieren.
Dazu muss ein klar lesbarer Hinweis für die Fluggäste deutlich sichtbar angebracht werden, in dem sie informiert werden, sich am Abfertigungsschalter oder am Flugsteig eine Information zu ihren Rechten einzuholen.
Haben Reisende einen Anspruch auf Schadensersatz ggü TUIfly?
Zunächst muss man differenzieren. Denn ein Schadensersatzanspruch erstreckt sich auch auf solche Schäden, die der Fluggastrechteverordnung fremd sind. Deshalb spricht die Verordnung nicht von Schadensersatz, sondern von Erstattung und Ausgleich.
Nach diesen allgemeinen Ausführungen kommen wir nunmehr zurück zu TUIfly. Die Fluggesellschaft TUIfly lehnt Ersatzansprüche ab und beruft sich dabei auf einen Fall von „außergewöhnlichen Umständen“. Nach Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung wäre das ausführende Luftfahrtunternehmen nicht dazu verpflichtet, eine Ausgleichszahlung zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht. Der Begriff der außergewöhnlichen Umstände ist in der Fluggastrechteverordnung nicht legaldefiniert. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 24.09.2013 zum Aktenzeichen X ZR 160/12 entschieden, dass der Begriff der außergewöhnlichen Umstände, nach seinem Wortlaut bedeute, dass die gegebenenfalls zu einem Wegfall der Ausgleichspflicht führenden Umstände außergewöhnlich seien, d.h. nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entsprächen, sondern außerhalb dessen liegen würden, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden sei oder verbunden sein könne. Es sollen Ereignisse erfasst werden, die nicht zum Luftverkehr gehören, sondern als – jedenfalls in der Regel von außen kommende – besondere Umstände eine ordnungs- und plangemäße Durchführung beeinträchtigen oder unmöglich machen könnten. Selbst Umstände, die im Zusammenhang mit einem den Luftverkehr störenden Vorfall, wie einem technischen Defekt auftreten, können – nach Ansicht des BGH – nur dann als außergewöhnlich im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Fluggastrechteverordnung qualifiziert werden, wenn sie auf ein Vorkommnis zurückgingen, das wie die in Erwägungsgrund 14 der Verordnung aufgezählten nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens und aufgrund seiner Natur oder Ursache von diesem tatsächlich nicht zu beherrschen sei.
Ob in der Massenerkrankung der Arbeitnehmer ein außergewöhnlicher Umstand zu sehen sei, muss noch gerichtlich geklärt werden. Sollte sich die „Krankheitswelle“ unter den Piloten tatsächlich als Streik qualifizieren lassen, so entfielen die Entschädigungsansprüche der Flugreisenden gegenüber TUIfly. Denn ein Streik von einem gewissen Ausmaße könnte einen solchen außergewöhnlichen Umstand darstellen.
Darf TUIfly Fluggästen eine Entschädigung verwehren?
Nach meiner Rechtsauffassung handelt es sich aber bei den Krankmeldungen nicht um einen außergewöhnlichen Umstand, der die TUIfly aus ihrer Leistungspflicht entbindet.
Denn wenn man sich mit der BGH Entscheidung auf die „Außergewöhnlichkeit“, als „nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entsprechend“ erfasst und damit als außerhalb dessen liegend, was normalerweise bei der Personenbeförderung im Luftverkehr vorkommt, so muss man die Krankheitswelle dem Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 3 Fluggastrechteverordnung absprechen. als – Die Erkrankung ist nämlich in der Regel kein von außen kommender Umstand. Zudem hat eine ordnungs- und plangemäße Durchführung des Ablaufs der Personenbeförderung Krankenstände einzukalkulieren, sodass diese den Ablauf regelmäßig nicht beeinträchtigen oder unmöglich machen können.
Damit korrespondierend läst die Rechtsprechung die Erkrankung von Flugpersonal für sich genommen als keinen außergewöhnlichen Umstand gelten (LG Düsseldorf, Urteil vom 24.08.2014, 22 S 31/14; LG Darmstadt, Urteil vom 23.05.2012, 7 S 250/11).
Betroffenen ist anzuraten sich einen rechtlichen Rat einzuholen und unverzüglich die ihnen zufallenden Ansprüche (z.B. auf Schadensersatz oder genau gesagt auf Ausgleich bzw. Erstattung) schriftlich gegenüber TUIfly anzumelden. Dabei sollte der Fluggast dem Unternehmen eine taggenaue Frist (tt.mm.jjjj) setzen. Weigert sich das Flugunternehmen den Forderungen nachzukommen, so darf – im Falle begründeter Ansprüche – der Reisende auch den Ersatz der ihm – im Rahmen der außergerichtlichen Vertretung – anfallenden Anwaltskosten von TUIfly verlangen.