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Ihr Amazon Marketplace Konto wurde gesperrt und das darauf befindliche Guthaben wurde einbehalten oder Ihre Amazon Listings wurden gesperrt? Außergerichtliche Bemühungen das Konto oder die ASIN zu entsperren schlugen fehl? Amazon reagiert nicht auf Ihre Anfragen und lehnt den Maßnahmenplan ab? Wenn Sie sich als Marketplace Verkäufer in dieser Situation befinden, drängt sich die Frage auf, ob Sie Amazon verklagen können oder eine einstweilige Verfügung gegen den Internetriesen erwirken mögen. Wir haben zahlreiche Mandanten begleitet, die sich in einer ähnlichen Situation befanden. In dem nachstehenden Beitrag stellen wir einmal heraus, wie so ein Gerichtsverfahren gegen Amazon abläuft, wo Fallstricke lauern und worauf Sie tunlichst achten sollten.
Wie läuft das Gerichtsverfahren gegen Amazon ab
Zunächst einmal sollten Sie sich als betroffener Marketplace Verkäufer vor der Einleitung gerichtlicher Schritte einige sehr wichtige Fragen stellen, um nicht vor Gericht sprichwörtlich „baden zu gehen“. Die wichtigsten Fragen, die Sie sich als Marketplace Händler stellen müssen sind:
- gegen wen muss ich die Klage richten,
- welches Gericht muss ich anrufen,
- welches Recht gilt bei einer Klage gegen Amazon,
- kann ich eventuell Einfluss auf das geltende Recht nehmen,
- welche Besonderheiten gelten für die Rechtswahl und
- welches Gerichtsverfahren ist für mich das richtige?
Es gibt in der Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen, bei welchem Gericht die Klage gegen Amazon eingereicht werden muss. Juristen sprechen insoweit von der sogenannten „internationalen Zuständigkeit“. Weiterhin besteht ein Disput darüber, welches Recht im Gerichtsverfahren Anwendung findet. Überdies gibt es verschiedene Verfahren, in denen man gerichtliche Unterstützung bei Auseinandersetzungen mit Amazon suchen kann.
Ich will Amazon verklagen – gegen wen genau muss ich die Klage richten?
Wenn es um die Kontosperre geht, ist die Amazon Service Europe S.a.r.l. für Marketplace Seller der richtige Ansprechpartner. Denn die Amazon Service Europe S.a.r.l. ist Betreiberin der Amazon Marketplaces amazon.de, amazon.co.uk, amazon.fr, amazon.nl, amazon.it, amazon.se, amazon.es, amazon.com.tr und amazon.pl. Sie ist eine eine Gesellschaft luxemburgischen Rechts, die ihren Hauptsitz in Luxemburg und eine Niederlassung u.a. in Deutschland (München) unterhält.
Geht es um einbehaltene Guthaben, so müssen Sie als betroffener Marketplace Verkäufer die Amazon Payments Europe s.c.a. in Anspruch nehmen. In einem anderen Beitrag erläutere ich, was Sie als Betroffener Marketplace Händler tun sollten, um Ihr von Amazon einbehaltenes Geld zurück zu erhalten. In diesem Beitrag soll es um die Kontosperre gehen.
Amazon Marketplace Kontosperre | Von Amazon einbehaltenes Guthaben | |
Wen muss ich verklagen? | Amazon Service Europe S.a.r.l. | Amazon Payments Europe s.c.a. bzw. Amazon Payments UK Ltd. |
Vertragliche Aufgabe | Betrieb und Aufrechterhaltung der Amazon Marketplaces | Walletdienste; Abwicklung von Zahlungen für Transaktionen auf den Amazon Marketplace Käufen; Einbehaltung, Empfang und Auszahlung von Geld und E-Geld |
Amazon Bedingungen | Amazon Marketplace Geschäftsbedingungen; Amazon Services Europe Business Solutions Vertrag | Amazon Payments Europe Nutzungsvereinbarung |
Welches Gericht ist für Amazon Prozesse zuständig?
Zunächst ist herauszustellen, dass Amazon zahlreiche Geschäftsbedingungen vorhält. Dazu zählen u.a. die Verkaufsbedingungen, denen Sie als Marktplace Verkäufer zustimmen müssen, um an Vertriebsaktivitäten auf dem Marketplace teilnehmen zu können. In diesen ist eine Gerichtsstandsvereinbarung erfasst. Dort ist geregelt, dass Vertragsstreitigkeiten mit der Amazon Service Europe S.a.r.l. vor den Gerichten in Luxemburg verhandelt werden. Konkret heißt es:
Jede Streitigkeit, die sich auf irgendeine Art und Weise auf die Nutzung der Programme oder dieses Vertrages bezieht, wird vor den Gerichten von Luxemburg Stadt, Luxemburg verhandelt werden, als nicht ausschließlicher Gerichtsstand.
Ziff. 17 des Amazon Services Europe Business Solution Vertrages mit derzeit aktuellem Stand vom 02.03.2021
Trotz dieser Regelung im Business Solutions Vertrag gehen einige Gerichte hierzulande bei einer Klage gegen Amazon aufgrund der Sperrung des Marketplace Accounts von der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte aus.
- Das liegt zum einen daran, dass die Regelung zum Gerichtsstand im Amazon Business Solution Vertrag nur auf solche Streitigkeiten erstreckt, welche die Nutzung des Vertrages zum Anspruch haben. Soweit auf kartellrechtliche oder wettbewerbsrechtliche Ansprüche abgestellt wird, so lässt sich argumentieren, dass diese nicht die Nutzung des Vertrages zum Inhalt haben, sondern deliktische Verhaltensweisen.
- Weiterhin hat Amazon seine Klausel zum Gerichtsstand abändern müssen, nachdem das Bundeskartellamt mit Entscheidung vom 17.07.2019 zum AZ B2 – 88/18 die vorherige Gerichtsstandsregelung für unzulässig erklärt hat. Die ausschließliche luxemburgische Gerichtszuständigkeit wurde daraufhin aus dem Vertrag genommen. Nunmehr sehen die Bedingungen ausdrücklich keine ausschließliche Zuständigkeit der Luxemburger Gerichte mehr vor. Daher ist der Anwendungsbereich der EuGVVO eröffnet.
Schauen wir uns im nächsten Abschnitt einmal die Ansichten zur Zuständigkeit einmal näher an. Doch zunächst sollen die Vor- und Nachteile der klage in Deutschland bzw. in Luxemburg einmal beleuchtet werden.
Vor- und Nachteile der Klage in Deutschland im Vergleich zur Klage in Luxemburg
Wenn Sie Amazon verklagen, sollten Sie wissen, dass es sowohl Nachteile der Klage ein Deutschland, als auch in Luxemburg gibt. In der nachstehenden Tabelle werden einige Vor- und Nachteile aufgeführt. Aus meiner langjährigen Erfahrung mit Klageverfahren gegen Amazon empfehle ich, die Klage in Deutschland anhängig zu machen.
Deutschland | Luxemburg | |
Gerichtskosten | fallen in Höhe des festgesetzten Streitwerts an, § 3 GKG | idR. keine Gerichtskosten |
Anwaltskosten | unterliegende Partei zahlt die Kosten des eigenen Anwalts und des Rechtsanwalts von Amazon, § 91 ZPO | grds. zahlt jede Partei seinen Rechtsanwalt selbst (Ausnahme: Gericht legt einer Partei Kosten auf), Art. 238 Nouveau Code de Procédure Civile |
Höhe der Anwaltskosten | idR. gesetzlich geregelte Höhe nach Gegenstandswert gem. § 2 Abs. 1 RVG iVm. Vergütungsverzeichnis zum RVG im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (Ausnahme: Abschluss einer Honorarvereinbarung) | Honorarvereinbarung, wobei die Angemessenheit der Höhe vom Kammerrat überprüft werden kann, Art. 38 Loi sur la profession d’avocat |
Sprache der Klageschrift | die Klage wird auf Deutsch eingereicht; in Luxemburg sind drei Landessprachen üblich (Luxemburgisch, Französisch, Deutsch), daher ist idR keine Übersetzung der deutschen Klage erforderlich; dies bekräftigt auch die Ansicht des BGH mit Urteil vom Urteil vom 25.02.2021 zum Aktenzeichen IX ZR 156/19 | vor den luxemburgischen Gerichten werden drei Landessprachen verwendet (Luxemburgisch, Französisch, Deutsch); die Klage kann in diesen Sprachen eingereicht werden |
Lauterkeitsrecht | im UWG und GWB ist die gezielte Behinderung von Mitbewerbern untersagt | das gesetzlich fixierte Verbot unlauterer Handlungen zum Nachteil von Mitbewerbern wurde 2017 aus dem Gesetz entfernt |
Vertragsrecht (mit Blick auf Amazons Gerichtsstands- und Rechtswahlklausel) | die Bestimmung des § 307 BGB eröffnet eine Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners; gem. § 305c Abs. 2 BGB gehen Zweifel bei der Auslegung der AGB zu Lasten des Verwenders | AGB Verträge können nach luxemburgischem Recht grundsätzlich formfrei gestaltet werden. im Luxemburger Recht ist keine dem nicht vorgesehen; auch in Luxemburg gehen Zweifel bei der Auslegung von AGB zu Lasten von Amazon (als Verwenderin der AGB) |
Zuständigkeit der Gerichte in Luxemburg
Die Frage nach der internationalen Zuständigkeit wird von den Gerichten unterschiedlich bewertet. Zum Teil wird die Ansicht vertreten, die internationale Zuständigkeit der luxemburgischen Gerichte sei in Anwendung des Art. 7 Nr. 1 a) EuGVVO eröffnet (OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.03.2021, I-20 U 269/20; LG Düsseldorf, Urteil vom 15.07.2020, 12 O 285/19; LG Wiesbaden, Urteil vom 11.02.2020, 2 O 130/20; LG München I, Hinweisbeschluss vom 23.07.2021, 35 O 5217/21; LG München I, Hinweisbeschluss vom 23.07.2021, 35 O 14695/20; LG Berlin, Hinweisbeschluss vom 05.11.2021, 22 O 127/21; LG Nürnberg-Fürth, Hinweisbeschluss vom 30.09.2021, 18 O 2296/21, LG Hildesheim, Beschluss vom 06.09.2019, 3 O 179/19). Vertreter dieser Rechtsauffassung sehen in den gegen Amazon entgegen gehaltenen Ansprüchen (Anspruch auf Zugang zum Marketplace/Teilnahme am Marketplace oder auf Zurverfügungstellung des Verkäuferkontos) vertragliche Ansprüche.
Für vertragliche Ansprüche bestimmt Art. 7 Nr. 1 a) EuGVVO eine Zuständigkeit des Gerichts, an dem Ort, an dem „die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre“. Getreu Art. 7 Nr. 1 b) EuGVVO ist der Erfüllungsort der Verpflichtung für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen. Bei Dienstleistungsverträgen liegt der Erfüllungsort dort, wo nach dem Vertrag die Dienstleistung faktisch erbracht worden ist oder hätte erbracht werden müssen.
Zuständigkeit deutscher Gerichte
Eine andere Rechtsansicht bejaht in Anwendung des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Nach dieser Vorschrift sind Verfahren, in denen „eine unerlaubte Handlung (oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist) oder Ansprüche aus einer solchen Handlung den Verfahrensgegenstand bilden, vor dem Gericht des Ortes zu führen, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht.“ Nach dieser Rechtsansicht stellen Ansprüche auf Unterlassung einer Kontendeaktivierung bzw. auf Unterlassung der Entfernung eines Angebots aus dem amazon.de Marketplace (insbesondere, wenn dies ohne konkrete Darlegung der Gründe der Sperrung/Entfernung geschieht und ohne die Einräumung einer Gelegenheit zur Stellungnahme des Betroffenen), deliktische Ansprüche dar.
Vertreter dieser Rechtsansicht legen insoweit kartellrechtliche und wettbewerbsrechtliche Ansprüche autonom als Ansprüche aus unerlaubter Handlung im Sinne der Verordnung aus (LG München I, Beschluss vom 14.01.2021, 37 O 32/21; Urteil vom 06.10.2020, 31 O 17559/19; Beschluss vom 01.09.2020, 1 HK O 11278/20).
Als betroffener Amazon Marketplace Verkäufer sind Sie gut beraten, sich auf eine gezielte Behinderung i.S.d. § 4 Nr. 4 UWG durch Amazon zu berufen und darüber hinaus sollten Sie auf kartellrechtliche Ansprüche aus §§ 33 Abs. 1 S. 1, 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 3 S. 1 GWB aufgrund einer unbilligen Behinderung unter Missbrauch der überlegenen Marktmacht von Amazon abstellen. So schaffen Sie gute Voraussetzungen für eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte.
Neben dem Herausstellen, dass es um Ansprüche aus unerlaubter Handlung geht, sollten Sie die Frage aufwerfen, inwieweit Amazons Gerichtsstandswahl mit Art. 25, Art. 26 EuGVVO kollidiert.
Tipp: Ich empfehle in Amazon Sperranliegen die Anrufung des LG München, LG Berlin (Beschluss vom 04.12.2020, 92 O 4/20) oder des LG Hannover (Hinweisbeschluss vom 18.11.2021, 25 O 222/21; Beschluss vom 22.07.2021, 25 O 221/21). Diese Gerichte hatten sich in der Vergangenheit – wenn auch mit Entscheidungsabweichungen – einer Bejahung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte als „zugänglich“ gezeigt. Aber die Rechtsprechung ist hier – das soll nicht verschwiegen werden – in stetem Wandel.
Anmerkung: Es gelten Besonderheiten für wettbewerbsrechtliche Klagen in NRW. Getreu § 1 Konzentrations-VO NRW (Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit zur Entscheidung in Wettbewerbsstreitsachen) sind in Nordrhein-Westfalen nur noch drei Landgerichte erstinstanzlich für Wettbewerbsstreitsachen zuständig. Soweit Sie als betroffener Marketplace Verkäufer ihre Klage oder einstweilige Verfügung bei einem Gericht in Nordrhein-Westfalen anhängig machen wollen, so kommen das LG Düsseldorf, das LG Bochum oder das LG Köln in Betracht.
Welches Recht gilt, wenn ich Amazon verklage?
Auch im Hinblick auf das anzuwendende Recht gehen die Auffassungen der Gerichte auseinander. Einige Gerichte wollen für Rechtsstreitigkeiten über Amazon Kontendeaktivierungen bzw. ASIN Vertriebseinschränkungen oder Zurückbehaltenen Kontoguthaben auf das luxemburgische Recht abstellen. Andere deutsche Gerichte sehen deutsches Recht als anwendbar.
Ansicht 1: Deutsches Recht anwendbar
Vertreter einer Rechtsansicht sehen auf den kartellrechtlichen Unterlassungsanspruch gegen Amazon die Anwendung des deutschen Rechts nach Art. 6 Abs. 3 lit. a) Rom-II-VO eröffnet (LG München I, Endurteil vom 12.05.2021, 37 O 32/21). Diese Bestimmung liest sich wie folgt dargestellt.
Auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus einem den Wettbewerb einschränkenden Verhalten ist das Recht des Staates anzuwenden, dessen Markt beeinträchtigt ist oder wahrscheinlich beeinträchtigt wird.
Wortlaut des Art. 6 Abs. 3 lit. a) Rom-II-VO
Da sich die Plattform „amazon.de“ hauptsächlich an den deutschen Markt richtet, ist eine Beeinträchtigung des deutschen Marktes gegeben. Laut Wortlaut der Bestimmung aus der Verordnung genügt sogar die Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung. Insoweit ist nach dieser Rechtsansicht deutsches Recht maßgeblich für die Bewertung, ob das Verhalten von Amazon dem Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen unterfällt.
Wie Sie als betroffener Marketplace Händler, dessen Marketplace Konto gesperrt oder dessen Listing oder ASIN deaktiviert wurde, vorgehen sollten, um dem Gericht Ihre Argumente nahezubringen, beschreibe ich weiter unten in diesem Beitrag.
Ansicht 2: Luxemburgisches Recht anwendbar
Amazons Rechtsanwälte vertreten die Ansicht, auf Amazon Sperrverfahren sei (auch im Hinblick auf kartellrechtliche Ansprüche) luxemburgisches Recht anzuwenden. Die von Amazon legitimierte Rechtsanwaltskanzlei Hogan Lovells International LLP argumentiert etwa wie folgt. Nach Art. 6 Abs. 2, 4 Abs. 3 S. 1 Rom-II-VO findet auf Handlungen, welche ausschließlich die Interessen eines bestimmten (einzelnen) Wettbewerbers beeinträchtigen, das Recht desjenigen Staates Anwendung, zu welchem die unerlaubte Handlung die engste Verbindung aufweist. Art. 4 Abs. 3 S. 2 Rom-II-VO bestimmt, dass sich eine solche enge Verbindung insbesondere aus „einem bereits bestehenden Rechtsverhältnis zwischen den Parteien – wie einem Vertrag – ergeben [könne], das mit der betreffenden unerlaubten Handlung in enger Verbindung steht.“
Amazon lässt über seine betraute Rechtsanwaltskanzlei Hogan Lovells International LLP in einem von uns auf Antragstellerseite begleiteten Verfahren vor den LG Hannover vortragen: „Das Vertragsverhältnis der Parteien [unterliege] kraft Parteivereinbarung gemäß Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO dem luxemburgischen Recht. Das luxemburgische Recht [weise] also die engste Beziehung zum hiesigen Fall auf.“
Im Folgenden verweist Amazon auf die Entscheidungsgründe des LG Wiesbaden aus dem Urteil vom 11.02.2020 zum AZ 2 O 130/20. Dort heißt es:
Soweit sich der Antragsteller auf Vorschriften des deutschen Rechts (UWG, GWB und BGB) beruft, ist die Anwendung deutschen Rechts gemäß Z. 17 des ASE-Vertrags ausgeschlossen. Denn nach der vertraglichen Vereinbarung der Parteien ist auf das vorliegende Rechtsverhältnis Luxemburgisches Recht anzuwenden.
Auszug aus Entscheidung: LG Wiesbaden, Urteil vom 11.02.2020, 2 O 130/20
Tatsächlich heißt es unter Ziff. 17 des Amazon Services Europe Business Solution Vertrages mit derzeit aktuellem Stand vom 02.03.2021:
Dieser Vertrag einschließlich aller seiner Bedingungen unterliegt dem Recht des Großherzogtums Luxemburg ohne sich auf die Regelungen des Internationalen Privatrechts oder des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) auszuwirken. […]
Quelle: Amazon Services Europe Business Solutions Vertrag vom 2. März 2021 – Ziff. 17
Zwar hat Amazon diese Klausel auf Entscheidung des Bundeskartellamtes vom 17.07.2019 zum AZ B2 – 88/18 dahingehend abgeändert, dass die ausschließliche luxemburgische Gerichtszuständigkeit aufgehoben wurde. Die Rechtswahl zugunsten dem luxemburgischen Recht hat in Amazons Vertragsregelungen allerdings nach wie vor Bestand.
Deutsches Recht nicht anwendbar? Was nun?
Dieser Abschnitt soll einmal beleuchten, welche Überlegungen anzustrengen sind, wenn einmal ein Gericht die Anwendbarkeit deutschen Rechts vereinen sollte.
Eine wirksame Rechtswahl setzt das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 Rom-I-VO voraus (BGH, Urteil vom 26.04.2018, VII ZR 139/17). Nach dieser Bestimmung muss die Rechtswahl ausdrücklich erfolgen oder sich eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falles ergeben.
In Bezug auf die Amazon Marketplace Teilnahme wird die Rechtswahl aus Ziff. 17 des Amazon Services Europe Business Solution Vertrages durch Ihre Zustimmung als Marketplace Verkäufer in den Vertrag zwischen Amazon und Ihnen einbezogen. Amazons Nutzungsbedingungen sehen die Anwendung des Rechts des Großherzogtums Luxemburg unter Ausschluss aller Kollisionsnormen auf den Vertrag vor.
Soweit deutsches Recht (in einem Gerichtsverfahren vor einem deutschen Gericht) nicht anwendbar ist, muss das angerufene Gericht klären, welches nationale Recht Anwendung findet. Dem Gericht fällt anerkanntermaßen auch im Anwendungsbereich des § 293 ZPO die Pflicht zu, das anzuwendende Recht von Amts wegen zu ermitteln. Dies gilt auch im einstweiligen Rechtsschutz.
Achtung: Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gibt es eine – von der Rechtsprechung entwickelte – Besonderheit (BGH, Beschluss vom 26.10.1977, IV ZB 7/77; Urteil vom 23.12.1981, IV b ZR 643/80; Peter Bert in: Anwaltsblatt 08.03.2020 „Die Ermittlung ausländischen Rechts im einstweiligen Rechtsschutz“). Wenn sich ausnahmsweise der Inhalt des einschlägigen ausländischen Rechts wegen der Eilbedürftigkeit nicht einmal summarisch ermitteln lassen sollte, so darf das Gericht hilfsweise deutsches Recht anwenden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.09.2019, 15 U 48/19).
In der Auseinandersetzung mit Amazon sollten Sie, soweit Sie ein Verfügungsverfahren anstrengen, diesen Aspekt unbedingt im gerichtlichen Verfahren vorbringen. So mancher Richter wird auf diesen Hinweis dankbar zur Kenntnis nehmen und seine Entscheidung auf das deutsche Recht stützen. Dies kommt Ihnen als Marketplace Verkäufer zu Gute. Denn das deutsche Recht bietet Ihnen als Antragsteller einige Vorteile, auf die wir im Folgenden eingehen möchten.
Außerhalb des einstweiligen Rechtsschutzes (also bei einer Klage gegen Amazon) gilt: Qualifiziert das Gericht die Rechtswahl aus Ziff. 17 des Amazon Services Europe Business Solution Vertrages als wirksam, so kommt regelmäßig luxemburgisches Recht zur Anwendung. Inwieweit dies für Sie als Marketplace Konteninhaber von Relevanz ist, wollen wir im nachstehenden Kapitel beleuchten.
An dieser Stelle erlaube ich mir für betroffene Marketplace Händler nur folgendes herauszustellen. Eine § 307 BGB vergleichbare Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ist im Luxemburger Recht nicht vorgesehen. Entsprechend § 305c Abs. 2 BGB gilt aber auch nach Luxemburger Recht, dass Zweifel bei der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders gehen.
Kann ich als Marketplace Händler die Rechtswahl beeinflussen?
Nach Art. 3 Abs. 2 Rom-I VO obliegen Rechtswahlverabredungen der Parteiautonomie. Insoweit können Rechtswahlverabredungen im Parteieinvernehmen jederzeit aufgelöst oder abgeändert werden.
Die Parteien können jederzeit vereinbaren, dass der Vertrag nach einem anderen Recht zu beurteilen ist als dem, das zuvor entweder aufgrund einer früheren Rechtswahl nach diesem Artikel oder aufgrund anderer Vorschriften dieser Verordnung für ihn maßgebend war.
Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 Rom-I-VO
Damit steht fest, dass die Rechtswahl zwischen Amazon und Ihnen zugunsten der Anwendbarkeit luxemburgischen Rechts, nachträglich in eine Rechtswahl zugunsten des anzuwendenden deutschen Rechts abgeändert werden kann. Nach hiesigem Rechtsverständnis funktioniert dies in Luxemburg mitunter sogar ohne eine ausdrückliche Zustimmung seitens Amazon.
Das luxemburgische Recht hat die Intention, Voraussetzungen dahingehend zu schaffen, dass Kaufleuten, die miteinander in einer in Handelsbeziehung (welcher Art auch immer) stehen, möglichst unkompliziert Entscheidungen treffen können. Diese gesetzgeberische Intention bedingt, dass unter Kaufleuten andere „Spielregeln“ gelten, als zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher. Vereinbarungen unter Kaufleuten sollen zügig getroffen werden und auch wieder aufgelöst werden können. In der Handelskorrespondenz in Luxemburg ist es üblich und anerkannt, dass ein Kaufmann gegenüber einem anderen, zu dem er in Handelsbeziehung steht, durch sein Schweigen seine Akzeptanz mit dem Korrespondenzinhalt signalisiert (TAL 19 février 2019 judoc n° 100074080).
Nach den Handelsgepflogenheiten entspricht es der Üblichkeit, dass ein Kaufmann seinen kaufmännischen Handelspartner umgehend über ein fehlendes Einvernehmen in eine an ihn herangetragene Verpflichtung in Kenntnis setzt. Handelspartner erwarten die Reaktion auf eine nicht erteilte Zustimmung und dürfen bei ausbleibender Resonanz des Gegenübers vom Einvernehmen in die Verpflichtung ausgehen. Getreu der luxemburgischen Rechtsprechung gilt dieser Grundsatz in allen Handelsverträgen (Trib. Luxembourg, 12 février 2009, n° 113391, BIJ, 2009, p. 128).
Die Zeitspanne, unter der ein Kaufmann davon ausgehen darf, dass keine Resonanz seines Handelspartners mehr erfolgt, ist einzelfallabhängig. Maßgeblich ist der Zeitrahmen, in dem ein gewissenhafter Kaufmann den verpflichtenden Korrespondenzinhalt zur Kenntnis nehmen und die getroffenen Angaben überprüfen würde. Bleibt nach Ablauf dieses – dem Kaufmann zugestandenen – Sichtungs- und Prüfungszeitrahmens eine Reaktion aus, wird davon ausgegangen, dass der Kaufmann den Inhalt der Vertragsbedingungen akzeptiert (Luxembourg, Cour de cassation, 10 juillet 2018, 86/18). Die luxemburgische Rechtsprechung wendet diese Grundsätze auch auf Gerichtsstandsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unter Kaufleuten an. Ich darf mich an dieser Stelle herzlich für die Ausführungen des in Luxemburg tätigen Kollegen A La Cour Julien Raum bedanken, dessen Beitrag zu dem Thema hier aufrufbar ist.
Insoweit rate ich betroffenen Marketplace Händlern, zeitnah vor Klageeinreichung gegenüber Amazon die Anwendbarkeit luxemburgischen Rechts aus Ziff. 17 des Amazon Services Europe Business Solution Vertrages ausdrücklich abzulehnen und sich auf die Anwendbarkeit des deutschen Rechts zu berufen. Erfahrungsgemäß erfolgt hierauf keine (oder eine nur sehr verzögerte Reaktion) seitens Amazon.
Im Gerichtsverfahren sollten Sie sich als Marketplace Verkäufer sodann auf die vorstehenden rechtlichen Ausführungen berufen. Dann obliegt es dem betrauten Gericht sich bei der Frage nach dem anwendbaren Recht auch mit diesem Argument auseinanderzusetzen.
Besonderheiten bei der Rechtswahl im Klageverfahren gegen Amazon vor deutschen Gerichten
Soweit Sie eine Unterlassungsklage gegen die in Luxemburg ansässige Amazon Service Europe S.a.r.l. bei einem deutschen Gericht einreichen, wird sich das Gericht – wie bereits dargestellt – unter anderem mit der Frage des anwendbaren Rechts auseinandersetzen. Während einige deutsche Gerichte deutsches Recht anwenden, fällen andere ihre Entscheidung auf Grundlage luxemburgischen Rechts.
Welche Argumente Sie bringen sollten, um möglichst die Anwendbarkeit des deutschen Rechts zu erwirken, haben wir vorstehend an dieser Stelle sowie auch hier erörtert.
Für den Fall, das ein Gericht die Anwendbarkeit des deutschen Rechts ablehnt, sollten Sie sich als Amazon Marketplace Händler immer auch darauf berufe, dass eine unerlaubte Handlung seitens Amazon auch nach luxemburgischen Recht vorliegt.
Kommt das Gericht (trotz aller Argumente, die für die Anwendung deutschen Rechts sprechen) zu dem Schluss, dass Ziff. 17 des Amazon Services Europe Business Solution Vertrages wirksam ist, so wird das deutsche Gericht seine Entscheidung in aller Regel am luxemburgischen Recht auszurichten haben. Vertragsrechtliche Regelungen sind in Luxemburg im Code Civil, Titre VI ff. geregelt. Besondere Regeln für Kaufleute sind in Luxemburg im Code de Commerce niedergelegt. Zivilgerichtliche Regelungen sind im Nuveau Code de civile verfasst.
Da ein deutsches Gericht mit dem luxemburgischen Recht i.d.R. nicht vertraut ist, wird das Gericht für gewöhnlich auf Beweise zum Inhalt des luxemburgischen Rechts angewiesen sein. Das Gericht kann gem. § 293 ZPO einen Beweis zum luxemburgischen Recht einholen.
Das in einem anderen Staat geltende Recht, die Gewohnheitsrechte und Statuten bedürfen des Beweises nur insofern, als sie dem Gericht unbekannt sind. Bei Ermittlung dieser Rechtsnormen ist das Gericht auf die von den Parteien beigebrachten Nachweise nicht beschränkt; es ist befugt, auch andere Erkenntnisquellen zu benutzen und zum Zwecke einer solchen Benutzung das Erforderliche anzuordnen.
Inhalt des § 293 ZPO
Das Gericht kann beispielsweise von Amts wegen eine Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 144 Abs. 1 S. 1 ZPO anordnen, um die erforderlichen Erkenntnisse des luxemburgischen Rechts vermittelt zu erhalten. Ebenso kann das Gericht aber auch Nachweise der Parteien berücksichtigen oder Literatur zur Rechtsbildung heranziehen.
Amazon hat bereits ein Gutachten zum luxemburgischen Recht in Auftrag gegeben und in zivilgerichtliche Verfahren, in denen Amazon wegen Kontensperren verklagt wurde, eingeführt. Das OLG München hat mit Entscheidung vom 15.09.2021 zum Aktenzeichen 15 U 6446/20 ein von Amazon eingeholtes Gutachten zur Grundlage der Vermittlung der für den Senat erforderlichen Kenntnisse über das luxemburgische Recht herangezogen.
In von uns begleiteten Verfügungsverfahren vertraten Amazons Rechtsanwälte Hogan Lovells International LLP die Ansicht, die Darstellungen aus den Entscheidungsgründen des Urteils des OLG München seien ausreichend, um auch dem im Verfügungsverfahren angerufenen Gericht die notwendigen Kenntnisse des luxemburgischen Rechts zu vermitteln. Ziel des Vortrags war, die mit dem Verfügungsverfahren betraute Kammer auch im Verfügungsverfahren zur Anwendung luxemburgischen Rechts anzuhalten.
Wir als anwaltliche Interessenvertreter zahlreicher Amazon Marketplace Seller haben Zweifel an der Richtigkeit der von Amazon vertretenen Ansicht. Denn schließlich hat Amazon – als Beklagte – das Gutachten in Auftrag gegeben. Privatgutachten werden nicht grundlos von der Rechtsprechung anders betrachtet, als gerichtlich eingeholte Gutachten. Ein im Auftrage einer Prozesspartei eingeholtes Privatgutachten stellt kein Beweismittel, sondern einen Parteivortrag dar (BVerfG NJW 1997, 122). Als solcher ist das Parteivorbringen vom Gericht zwar zu berücksichtigen. Der daraus „gewonnene Erkenntniswert“ ist aber als gering zu bewerten. Die Unvoreingenommenheit eines von Amazon betrauten und vergüteten Sachverständigen ist ernstlich zu hinterfragen. Nach hiesigem Dafürhalten wäre das OLG München insoweit gut beraten gewesen, ein weiteres Gutachten zur Erkenntnisgewinnung über das luxemburgische Recht einzuholen.
Dies gilt erst Recht, als das vom OLG München zitierte – im Auftrage von Amazon – erstellte Gutachten über das luxemburgische Recht auf den 14.05.2021 datiert. Zum 23.07.2021 sowie zum 26.12.2021 – also nach Erstellung des Gutachtens zum luxemburgischen Recht – traten Änderungen im luxemburgischen Zivilrecht (Code civile) sowie auch im Zivilprozessrecht (Code de procedure civile) in Kraft.
Die lauterkeitsrechtlichen Bestimmungen in Luxemburg weichen von den in Deutschland geltenden Bestimmungen erheblich ab. In Luxemburg gilt das Loi du 23 décembre 2016 sur les ventes en soldes et sur trottoir et la publicité trompeuse et comparative. Das Gesetz wurde abgeändert wurde durch das Loi du 18 juillet 2018 portant modification
1° de la loi modifiée du 29 juin 1989 portant réforme du régime des cabarets; 2° de la loi modifiée du 2 septembre 2011 réglementant l’accès aux professions d’artisan, de commerçant, d’industriel ainsi qu’à certaines professions libérales; et 3° de la loi du 23 décembre 2016 sur les ventes en soldes et sur trottoir et la publicité trompeuse et comparative.
Deutsches Recht | Luxemburgisches Recht | |
Gesetzliche Regelung | UWG, GWB | loi du 23 décembre 2016 sur les ventes en soldes et sur trottoir et la publicité trompeuse et comparative, |
Inhalt der Regelung | Gesetzlich geregeltes Verbot untersagt Mitbewerber gezielt zu behindern | Keine gesetzliche Regelung (mehr), Mitbewerberschutz obliegt der Rechtsprechung |
Unlauterer Wettbewerb | Das deutsche Gesetz untersagt unlautere geschäftliche Handlungen. „Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.“ | Die Regierung des Großherzogtums Luxemburg untersagt unlauteren Wettbewerb und damit „jeden Verstoß gegen die anständigen Gepflogenheiten oder gegen eine vertragliche Verpflichtung im Handel und/oder gegen eine vertragliche Verpflichtung, zur Verkaufsförderung oder Umsatzsteigerung und/oder zur Schädigung der Wettbewerbsfähigkeit eines Mitbewerbers“ |
Stellen Sie sich bei der Klage gegen Amazon am besten „breit auf“. Als Amazon Marketplace Verkäufer, dessen Konto von Amazon gesperrt wurde, sollten Sie Ihre Ansprüche zunächst nach dem deutsche Recht ausrichten. Soweit das mit der Klage betraute Gericht geneigt ist, die Anwendung deutschen Rechts abzulehnen, treffen Sie Ausführungen zur luxemburgischen Rechtslage.
Die Sperrung des Marketplace Kontos bzw. die Deaktivierung eines Listings/einer ASIN sind als gezielte Mitbewerberbehinderung im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG und als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne des §§ 33 Abs. 1 i.V.m. 19 GWB zu qualifizieren.
Argumentieren Sie als betroffener Amazon Verkäufer auch dahingehend, dass Amazon sich vertragsuntreu verhält, soweit Amazon Ihnen den vertraglich vereinbarten Kontenzugriff verwehrt. Stellen Sie ferner darauf ab, dass das luxemburgische Recht den deliktischen Rechtsgedanken des Mitbewerberschutzes ebenfalls kennt. In Art. 14 Loi du 30 juillet 2002 réglementant certaines pratiques commerciales, sanctionnant la concurrence déloyale et transposant la directive 97/55/CE du Parlement Européen et du Conseil modifiant la directive 84/450/CEE sur la publicité trompeuse afin d’y inclure la publicité comparative (Mémorial A n° 90/2002) war bis zum 31.12.2016 festgehalten, dass unlauterer Wettbewerb dann gegeben ist, wenn eine Person, die ein Handelsgewerbe betreibt, eine unlautere Handlung begeht, gewerblich, handwerklich oder freiberuflich tätig ist, durch eine Handlung, die entweder den anständigen Gepflogenheiten in Handel und Gewerbe zuwiderläuft, oder gegen eine vertragliche Verpflichtung verstößt, seinen Wettbewerbern oder einem seiner Wettbewerber etwas wegnimmt oder zu nehmen versucht. Zwar wurde diese gesetzliche Regelung durch das Loi du 23 décembre 2016 sur les ventes en soldes et sur trottoir et la publicité trompeuse et comparative. (Mémorial A n° 267 de 2016) aufgehoben, doch Zuwiderhandlungen gegen die anständigen Gepflogenheiten in Handel und Gewerbe sind von der Rechtsprechung in Luxemburg entsprechend zu untersagen.
Als betroffener Marketplace Verkäufer können und sollten Sie (soweit luxemburgisches Recht zur Anwendung kommt) parallel zur Klage auch den Conseil de la Concurrence (den Wettbewerbsrat) anrufen. Der Wettbewerbsrat ist die nationale luxemburgische Behörde, die unter anderem dafür zuständig ist, wettbewerbswidrige Verhaltensweisen, die sich aus Kartellen zwischen Unternehmen oder aus dem Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung ergeben, zu ermitteln und zu bestrafen.
Ferner sollten Sie sich auch auf den Rechtsgedanken der §§ 858 ff. BGB berufen. Ihnen als Kontoinhaber falle eine besitzähnliche Rechtsposition am Händlerkonto zu. Die Sperrung eben dieses Kontos kann man als verbotene Eigenmacht i. S. d. § 859 BGB ansehen (LG Hildesheim, Beschluss vom 26.06.2019, Az. 3 O 179/19 – Beschluss wurde aufgehoben aus Zuständigkeitsgründen). Amazon darf, wenn man dem Rechtsgedanken der verbotenen Eigenmacht über ein fremdes Besitzrecht folgt, eine Kontosperrung nicht eigenhändig durchführen und zwar unabhängig davon, ob diese Sperre grundsätzlich gerechtfertigt ist oder nicht. Dafür bedarf es einer Anrufung eines zuständigen Gerichts seitens Amazon.
Welcher Verfahrensweg ist für betroffene Marketplace Händler der richtige?
Wenn Amazon Ihnen Ihr Marketplace Händler Konto gesperrt oder Ihr Listing deaktiviert hat, dann bieten sich Ihnen nach Ausschöpfung der außergerichtlichen Wege grundsätzlich zwei gerichtliche Verfahren, die Sie allein oder unter bestimmten Voraussetzungen auch nebeneinander betreiben können.
So können Sie als Verkäufer eine Klage gegen Amazon einreichen oder einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stellen oder man beschreitet beide Verfahrenswege parallel. Auf den Antrag auf Erlass einer einstweilige Verfügung gegen Amazon gehe ich in einem separaten Beitrag ein. Ich will aber im Nachgang einmal die groben Unterschiede der Verfahren darstellen.
Einstweilige Verfügung | Klage | |
Gerichtskostenvorschuss | kein Gerichtskostenvorschuss zu zahlen | In Deutschland ist ein Gerichtskostenvorschuss vom Kläger zu zahlen; in Luxemburg sind Gerichtskosten grds. nach Verfahrensende zu zahlen (Ausnahme: Gericht ordnet Vorschusszahlung an) |
Verfahrensdauer | Beschluss ergeht binnen weniger Tage bis Wochen | Urteil ergeht zumeist erst nach einigen Monaten |
Regelungsdauer | Verfügung gilt für 6 Monate | Entscheidung verjährt erst nach 30 Jahren, § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB |
Zulässige Ansprüche | Unterlassungsanspruch bzgl. der Deaktivierung des Marketplacekontos, bzgl. der Entfernung der Angebote von der amazon Webseite und/oder bzgl. der Einbehaltung eines Guthabens auf dem Verkäuferkonto | Unterlassungsansprüche (wie bei der einstweiligen Verfügung) und darüber hinaus auch Schadensersatzansprüche, Aufwendungsersatzansprüche |