Coronavirus: jemand hat mich angesteckt – Haftung und Strafbarkeit Infektionsschutz

Coronavirus: jemand hat mich angesteckt – Haftung und Strafbarkeit

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Es sind schockierende Bilder, die uns gerade in der aktuellen gesundheitlichen Situation fassungslos zurücklassen: In Freiburg hat sich ein Mann in einem Supermarkt dabei filmen lassen, wie er Lebensmittel ableckt und sie danach wieder ins Regal legt. Handlungen wie diese sind nicht nur pietätlos und widerlich, sondern im Hinblick auf eine mögliche Übertragung des Coronavirus SARS-CoV-2 auch akut gesundheitsgefährdend. Doch auch bei uns im Kreis Minden-Lübbecke ist in der vorletzten Woche ein ähnlicher Fall publik geworden: In einer Lidl-Filiale in Espelkamp behauptete ein Mann, positiv auf das Virus getestet worden zu sein, spuckt sich in die Hände und fasste anschließend das Kassenband sowie einige Mauerpfeiler und weitere Gegenstände an. Wir befassen uns mit der Strafbarkeit im Umgang mit dem Coronavirus.

Ansteckung mit dem Coronavirus

Eine Verbreitung des Coronavirus setzt jedoch ein solch krasses Verhalten nicht unbedingt voraus. Es ist gewiss keine böse Absicht notwendig, um andere Menschen anzustecken. Häufig reicht schon ein kleines Fehlverhalten wie das Nichteinhalten des erforderlichen Abstands oder das Missachten der einschlägigen Hygieneregeln beim Husten oder Niesen. Was ein Husten im Supermarkt in Bezug auf die Übertragung und Ausbreitung von Corona-Viren in der Luft auslösen kann, haben zuletzt finnische Forscher anhand eines 3D-Modells eindrucksvoll veranschaulicht.

Hat auch Sie eine andere Person mit dem Coronavirus angesteckt? Wie erfolgreich ist eine Strafanzeige? Haftet die Person auf Schmerzensgeld oder Schadensersatz?

Übertragung des Coronavirus als Körperverletzungshandlung?

Ausgangspunkt aller Überlegungen ist zunächst, dass auch die Ansteckung mit dem Coronavirus grundsätzlich den Tatbestand der Körperverletzung (§ 223 StGB) erfüllen kann. Dies setzt zunächst eine körperliche Misshandlung oder Gesundheitsschädigung voraus. 

  • Körperliche Misshandlung meint dabei jede üble und unangemessene Behandlung, durch die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird.
  • Gesundheitsschädigung dagegen meint jedes Hervorrufen oder Steigern eines nicht nur unerheblichen krankhaften Zustandes. Krankhaft ist jede vom vorherigen Zustand nachteilig abweichende Veränderung der körperlichen Verfassung.

Die Übertragungen von Krankheiten sind Hauptfälle der Gesundheitsschädigung. Eine solche liegt nämlich bereits in der Infektion mit einer nicht ganz unerheblichen Krankheit, in deren Folge der Betroffenen auch selbst infektiös sein kann – denn bereits diese Infizierung verändert den körperlichen Normalzustand des Betroffenen tiefgreifend.

Ohne Bedeutung ist dagegen für das Vorliegen einer Gesundheitsschädigung, ob die Krankheit bereits zum Ausbruch gekommen ist (vgl. BGH, Urteil vom 04.11.1988, 1 StR 262/88 zur Infektion mit Aids) oder der Infizierte bereits über bestimmte Symptome klagt.

Der Verschuldensvorwurf bei der Ansteckung mit dem Coronavirus

Die Klassifizierung einer Corona-Ansteckung als Körperverletzungshandlung hat für den Täter dann unmittelbare juristische Folgen, wenn er Sie vorsätzlich oder zumindest fahrlässig infiziert hat.

Vorsätzliche Ansteckung mit dem Virus

Vorsatz wird gemeinhin als Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung definiert. Je nach Intensität des Wissens- und des Willenselements lassen sich die drei folgenden Erscheinungsformen unterscheiden:

  1. Stärkste Vorsatzform ist die Absicht. Sie ist gegeben, wenn es dem Erkrankten gerade darauf ankommt, sein Gegenüber mit dem Virus anzustecken. Wer erst jüngst positiv auf das Coronavirus getestet wurde und in einem Lebensmitteldiscounter aus reiner Böswilligkeit anderen Kunden ins Gesicht hustet, dem wird der Staatsanwalt ein vorsätzliches Handeln unterstellen.
  2. Es folgt der sogenannte direkte Vorsatz. Dieser ist zu bejahen, wenn der erkrankte Täter weiß oder als sicher voraussehen kann, dass sein Handeln zur Ansteckung seines Gegenübers führt. Wer beispielsweise in Kenntnis der Erkrankung innerhalb der Inkubationszeit mit einem anderem Menschen Geschlechtsverkehr hat, der wird sein Handeln auf dieser Stufe der Coronavirus-Fälle einzuordnen wissen.
  3. Die schwächste Form des Vorsatzes ist der bedingte Vorsatz oder auch Eventualvorsatz. Erkennt der Täter das Risiko einer Ansteckung des Gegenübers und nimmt dieses Risiko billigend in Kauf, so ist der Eventualvorsatz zu bejahen. Die Annahme dieser Vorsatzart ist auch in Bezug auf die Ansteckung mit Krankheiten wie dem Coronavirus durchaus realistisch.

Eventualvorsatz oder doch fahrlässig?

Von großer Bedeutung ist dabei allerdings die Abgrenzung des Eventualvorsatzes von der bewussten Fahrlässigkeit. Diese ist gerade für die strafrechtlichen Folgen Ihres Handelns enorm wichtig und hat Rechtsliteratur und Gerichte jahrelang beschäftigt. Deutlich heruntergebrochen und vereinfacht lässt sich die Unterscheidung wie folgt vornehmen:

  • Eventualvorsatz: Der Täter weiß um die Gefährlichkeit seiner Handlung, findet sich aber im Sinne eines „Komme was wolle, ich handle trotzdem“ mit der Ansteckung seines Gegenübers ab.
  • Bewusste Fahrlässigkeit: Der Erkrankte weiß zwar um die Gefährlichkeit seiner Handlung, vertraut aber im Sinne eines „Es wird schon gut gehen“ ernsthaft auf das Ausbleiben der Ansteckung seiner Mitmenschen.

Mindestvoraussetzung für die Annahme fahrlässigen Handelns ist, dass der Straftäter von der eigenen Infektion wusste oder aufgrund engen Kontakts zu einer infizierten Person oder eigener Symptome zumindest mit der ernsthaften Möglichkeit einer Erkrankung rechnen musste und dennoch in Kontakt mit anderen Personen getreten ist, die er infolgedessen angesteckt hat.

Ohne konkreten Anhaltspunkt bezüglich einer eigenen Erkrankung dürfte dagegen sowohl vorsätzliches als auch fahrlässiges Handeln ausscheiden.

Welche Strafbarkeiten kommen in Betracht?

Kann dem Täter nach dem oben Gesagten Vorsatz nachgewiesen werden, macht er sich zunächst wegen Körperverletzung nach § 223 StGB strafbar. Ihm droht in diesem Fall eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe. Ist es infolge seines Handelns nicht zu einer Infektion des Betroffenen gekommen, kommt trotzdem zumindest eine versuchte Körperverletzung in Betracht.

Außerdem kann das Verhalten des am Coronavirus erkrankten Täters den Qualifikationstatbestand der gefährlichen Körperverletzung aus § 224 StGB erfüllen. Denn zunächst sind die Erreger von Krankheiten – und damit auch Corona-Viren – als gesundheitsschädliche Stoffe im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB anzusehen. Außerdem kann bei einer Ansteckung mit dem Virus eine lebensgefährdende Behandlung gemäß Nr. 5 dieser Strafnorm vorliegen. Ob dies der Fall ist, kann nur anhand des konkreten Einzelfalls beurteilt werden. Maßgeblich ist die individuelle Schädlichkeit der Einwirkung gegen den Körper des Betroffenen (vgl. BGH, Beschluss vom 16.01.2013, 2 StR 520/12) unter Berücksichtigung von Alter und Vorerkrankungen. Die Infizierung einer Person, die zur sogenannten Risikogruppe zählt (insbesondere ältere Menschen sowie Personen mit Vorerkrankungen), stellt somit eine lebensgefährliche Behandlung dar, die Infizierung einer sonstigen Person dagegen regelmäßig nicht. Der Strafrahmen kann dann auf bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe wachsen.

Im Falle eines fahrlässigen Handelns droht dem Täter nach Maßgabe des § 229 StGB noch immer eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.

Erkrankter mißachtet Quarantäneanordnung

Hat der Coronavirusinfizierte während Ihrer Ansteckung zudem eine ihm auferlegte Quarantäneanordnung missachtet, ergibt sich die Strafbarkeit darüber hinaus auch aus § 75 Abs. 3 IfSG. Die hieraus folgende Strafe tritt aber in den meisten Fällen hinter den strengeren Vorschriften des Strafgesetzbuches zurück. Weitere Fragen zur Anordnung einer häuslichen Quarantäne durch das Gesundheitsamt haben wir für Sie in einem gesonderten Quarantäne-Artikel beleuchtet.

Sollte die betroffenen Person, nachdem sie sich bei dem Täter infiziert hat, gar verstorben sein, stehen selbstverständlich Tötungsdelikte, wie Totschlag gemäß § 212 StGB oder fahrlässige Tötung nach § 222 StGB im Raum.

Schadensersatz und Schmerzensgeld nach Ansteckung mit dem Coronavirus

Doch nicht nur strafrechtlich kann eine Ansteckung mit dem Coronavirus Folgen haben.

Aus § 823 Abs. 1 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem jeweils erfüllten Tatbestand des Strafgesetzbuches folgt zudem ein Anspruch des Betroffenen auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Auf eine Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit kommt es dafür nicht an, denn beides löst eine Schadensersatzpflicht aus.

Dementsprechend können Sie als angesteckte und am Virus erkrankte Person folgendes von dem Täter ersetzt verlangen:

  • Verdienstausfall bei Arbeitsunfähigkeit oder Quarantäneanordnung,
  • Haushaltsführungsschaden bei Notwendigkeit eines stationären Krankenhausaufenthalts oder sonstiger Beeinträchtigung in der Haushaltsführung,
  • Behandlungskosten sowie Fahrtkosten zum Arzt oder Krankenhaus,
  • Schmerzensgeld.

Beweisschwierigkeiten bei der Kausalität

Freilich hängen diese Erwägungen ganz entscheidend an der sehr praxisrelevanten Frage, ob dem Täter überhaupt nachgewiesen werden kann, dass eben genau er Sie mit dem Coronavirus angesteckt hat. Sowohl die aufgezählten Straftatbestände als auch die Ersatzansprüche aus dem Deliktsrecht setzen nämlich eine kausale Gesundheitsschädigung voraus.

Ursächlich bzw. kausal ist im deutschen Recht jede Bedingung eines Erfolges, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Die Frage ist also: Hätten Sie sich als erkrankte Person auch ohne das konkrete Handeln des Täters infiziert? Dies zu beweisen, ist schwierig, gleichsam nicht unmöglich. Denn Virologen und Ärzte können die Infektionsketten mittlerweile sehr gut nachvollziehen. Symptome treten nach 2 Tagen bis 14 Tagen auf. Infektiös ist der Täter vor Symptombeginn bis zum vierten Tag nach Symptombeginn. Infolgedessen wird man – gerade aufgrund der sozialen Distanzierung – Infektionsverläufe in vielen Fällen von Alleinstehenden nachvollziehen können.

Schwieriger wird es hingegen, wenn man als Familienangehöriger einer auswärtigen Berufstätigkeit nachgeht und sich überdies auch mehrmals die Woche zum Supermarkt begibt. So wird kaum jemand beispielsweise jede Person mit Namen und Adresse aufzählen können, die zur gleichen Zeit bzw. kurz vorher im selben Supermarkt eingekauft hat oder die auf der Straße an ihr vorbeigegangen ist. In solchen Fallkonstellationen wird dem Täter nur schwer eine kausale Gesundheitsschädigung nachzuweisen sein. In solchen Fällen werden sowohl Strafbarkeit, als auch zivilrechtliche Ersatzansprüche ausscheiden. Denn im deutschen Strafrecht gilt der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ und im Zivilprozess hat der Anspruchsteller die für ihn günstigen und die seinen Vortrag tragenden Tatsachen nachzuweisen. Kann er dies nicht, wirkt sich das zu seinem Nachteil aus. 

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