Haftung für Gefälligkeitsschäden Haftungsrecht

Haftung für Gefälligkeitsschäden

Zuletzt aktualisiert Lesezeit:
8 Bewertungen

Dieser Beitrag wird in Kürze aktualisiert. Solange möchten wir Sie darauf hinweisen, dass einzelne Informationen in diesem Artikel veraltet sein könnten.

„Kannste mir mal einen Gefallen tun?“ Wer kann einem Bekannten schon einen Wunsch abschlagen. Doch was geschieht, wenn im Rahmen der Gefälligkeit etwas zu Bruch geht oder jemand zu schaden kommt? Dieser Artikel soll sich mit der Haftung im Gefälligkeitsverhältnis befassen und damit Licht in eine umstrittene Rechtsthematik bringen.

Wenn im Gefälligkeitsverhältnis ein Schaden entsteht

Sie beaufsichtigen kurzzeitig Ihr Enkelkind und das Kind verletzt sich in Ihrer Obhut. Sie leisten einem guten Freund Umzugshilfe und dabei wird der Schrank zerkratzt. Oder Sie gießen die Blumen im Nachbarshaus und beschädigen aus Versehen die Vase. Sie bieten dem Schulfreund Ihres Sohnes an, diesen mit dem Auto nach Hause zu bringen und dieser verletzt bei einem Auffahrunfall.

Da wollen Sie einem anderen Menschen etwas Gutes tun und diesem unentgeltlich zur Hand gehen und dann geschieht etwas, mit dem niemand rechnen konnte. Müssen Sie auch als gefälliger Mensch für einen entstandenen Schaden haften? Können rein sozial motivierte Verhaltensweisen überhaupt rechtlich bewertet werden? Im Gesetz können Sie lange vergeblich nach Antworten suchen, denn der Gesetzgeber hat das reine Gefälligkeitsverhältnis nicht für explizit regelungsbedürftig erachtet. Um es gleich vorweg zu nehmen: Ja, es gibt auch eine Haftung im Gefälligkeitsverhältnis, allerdings kann diese eingeschränkt sein.

Einschränkung 1: Keine vertraglichen Schadensersatzansprüche

Nun, zunächst ist das Gefälligkeitsverhältnis kein Vertragsverhältnis. Der Gefällige will sich ja gerade nicht vertraglich binden. Vertragliche Ansprüche auf Schadensersatz (§ 280 Abs. 1 BGB) scheiden damit bei einem Gefälligkeitsverhältnis regelmäßig aus. Um eine vertragliche Haftung nach §§ 280 Abs. 1, 662 BGB zu begründen, werden anwaltlich beratene Geschädigte deshalb häufig vorbringen, es läge gar kein Gefälligkeitsverhältnis vor.

Gefälligkeit oder unentgeltlicher Auftrag?

Ob Sie einem anderen Menschen lediglich einen Gefallen getan haben oder ob doch ein Auftragsverhältnis vorlag, entscheidet sich danach, ob Sie sich rechtlich binden wollten. Bei einem Gefallen gibt es keinen Rechtsbindungswillen.

Der Rechtsbindungswille ist in analoger Anwendung der §§ 133, 157 BGB unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Abgestellt wird dabei auf den sogenannten „Empfängerhorizont“. Das bedeutet, man prüft, wie ein objektiver Dritter in der Person des Erklärungsempfängers unter Berücksichtigung der Verkehrssitte Ihre Erklärung verstehen musste. Folgende Faktoren können eine Rolle spielen:

  • die Art der Handlung,
  • der Grund und Zweck der Erklärung,
  • die wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung der Handlung,
  • die Umstände, unter denen die Handlung erbracht wird,
  • die im Zusammenhang mit der Tätigkeit bestehende Interessenlage der Parteien.
  • Achtung: Die Unentgeltlichkeit ist – allein für sich genommen – kein hinreichendes Abgrenzungskriterium, weil es auch unentgeltliche Verträge gibt (siehe §§ 516, 598, 662, 690 BGB).

Argumente für einen Gefallen

Wenn Sie als Gefälligkeitserbringer von einem Geschädigten in Anspruch genommen werden, können und sollten Sie gute Argumente bringen, weshalb gerade kein Rechtsbindungswille bestand.

Ich wollte der anderen Person doch nur einen Gefallen tun

  • Die übernommene Tätigkeit war von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung,
  • Sie verfolgten mit der Handlung keine erheblichen eigenen Interessen,
  • Sie wollten an einem gesellschaftlichen Ereignis teilnehmen,
  • Ihre Zusage zur Teilnahme war sozial motiviert (Sie waren mit der Person befreundet oder gut bekannt),
  • Sie waren sich beide einig, dass kein Anspruch auf Ausführung der Tätigkeit bestand.

Gefälligkeitsschäden und die Haftung nach deliktsrechtlichen Gesichtspunkten

Da eine vertragliche Haftung ausfällt, verbleiben nur noch deliktsrechtliche Haftungsansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB (wenn eines der dort genannten absoluten Rechte verletzt wurde: das Leben, der Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges [vergleichbares] Recht) oder § 826 BGB.

Auch im Hinblick auf deliktische Ansprüche muss man sich fragen, ob derjenige, der anderen einen Gefallen tut (also unentgeltlich was Gutes tut), nicht anders behandelt werden muss oder anders ausgedrückt, ob der gefällige Mensch genauso streng in die Haftung genommen werden sollte, wie derjenige, der einen Auftrag erfüllt und dafür Geld erhält.

Auch insoweit darf ich vorweg nehmen: Ja, derjenige, der einem anderen einen Gefallen tut, sollte schon anders behandelt werden. Um diesem „Gerechtigkeitsempfinden“ nachzukommen bedienen sich die Juristen einiger „Tricks“, denn das Haftungsrecht unterscheidet erstmal nicht zwischen dem gefälligem Schädiger und sonstigen Schädigern. Insoweit gibt es keine gesetzlich fixiert Haftungsprivilegierung für gefällige Menschen. Diesem Umstand hätte der Gesetzgeber durch entsprechende Regelungen Rechnung tragen müssen; hat er aber nicht.

Einschränkung 2: Haftungsprivilegierung für Gefälligkeitsschäden

Ich hatte es vorweggenommen, auch in deliktischer Hinsicht will man dem Gefälligkeitserbringer „gerecht werden“. Doch wie geht das, wenn der Gesetzgeber nur einen Haftungsmaßstab kennt und regelt:

Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

§ 823 Abs. 1 BGB

Klar sollte jedem sein: Wer vorsätzlich, also absichtlich, einen anderen schädigt, der muss auch dafür haften und zwar auch dann, wenn die Schädigung im Rahmen eines Gefälligkeitsverhältnisses stattfindet. Aber einen Anknüpfungspunkt für den gerechten Ausgleich einer gemilderten Haftung im Gefälligkeitsverhältnis bietet die Fahrlässigkeit, also die Verletzung der geltenden Sorgfaltspflicht. Daher sollte der Gefällige nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (Verletzung der Sorgfaltspflicht in grobem Maße, § 276 Abs. 2 BGB, wovon auszugehen ist, wenn ein Schaden durch einfache und naheliegende Verhaltensweisen verhindert werden kann) haften.

Jede strengere Behandlung wäre auch ungerecht. Denn §§ 521, 599 und 690 BGB enthalten ebenfalls Haftungsprivilegierungen für die unentgeltlichen Verträge der Schenkung, Leihe und Verwahrung. Wenn aber selbst bei Verträgen (aufgrund ihrer Unentgeltlichkeit) eine beschränkte Haftung gelten soll, dann muss dies doch erst Recht für Gefälligkeiten gelten, die ebenso unentgeltlich und darüber hinaus gar aus einer „noblen Motivation“ heraus erbracht werden. Daher darf der generelle Rechtsgedanke einer Haftungsprivilegierung für unentgeltliches Handeln in analoger Anwendung der §§ 521, 599, 690 BGB auf die Gefälligkeit übertragen werden, mit der Folge, dass auch dieser eine Haftungsbegrenzung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zugute kommt (vgl. OLG Celle, Urteil vom 03.04.2014, 5 U 168/13).

Diese rechtliche Begründung ist freilich nicht unumstritten. Nach Auffassung einiger Juristen verbietet sich der Rückgriff auf die Regelungen der Vertragsrechts, weil diese abschließend sind und Schenkung, Leihe und Verwahrung im Gegensatz zur Gefälligkeit eben einen Rechtsbindungswillen voraussetzen (BGH NJW 1992, 2474).

Keine Haftung für leicht fahrlässig entstandene Schäden

Weitestgehend besteht aber ein Konsens darüber, dass die Haftungsfreistellung für leicht und einfach fahrlässiges Verhalten im Gefälligkeitsverhältnis besteht. Diese lässt sich auch mit einem stillschweigenden Haftungsausschluss aus einer ergänzenden Vertragsauslegung auf der Grundlage von § 242 BGB herleiten. Voraussetzung dafür wäre aber, dass der gefällige Schädiger, wäre die Rechtslage vorher zur Sprache gekommen, einen Haftungsverzicht gefordert hätte und sich der Geschädigte dem ausdrücklichen Ansinnen einer solchen Abmachung billigerweise nicht hätte versagen können (BGH, Urteil vom 10.02.2009, VI ZR 28/­08). Diese Voraussetzung nehmen Verfechter dieser Rechtsansicht regelmäßig beim Vorliegen einer engen persönlichen Beziehung an (Juristen sprechen von einer „stillschweigenden Haftungsbeschränkung“). Zu engen persönlichen Beziehungen zählen nicht nur familiäre Bande, sondern durchaus auch Beziehungen unter Freunden, Nachbarn oder Kollegen (OLG Koblenz, Urteil vom 07.07.2015, 3 U 1468/14).

Ausnahme: Schädiger hat Haftpflichtversicherung

Dieses Haftungsprivileg soll aber dann nicht greifen, wenn der Schädiger eine Privathaftpflichtversicherung hat (BGH, Urteil vom 18.12.1979, VI ZR 52/78). Man will den Gefälligen schützen, nicht aber einen Versicherungsträger (OLG Hamm, Urteil vom 17.11.2015, 9 U 26/15).

Problematisch sind Fälle, in denen eine Haftpflichtversicherung besteht, aber der verursachte Schaden nicht vom Versicherungsschutz gedeckt ist. In einem solchen Fall wird wiederum von einem stillschweigend vereinbarten Haftungsausschluss für leicht fahrlässiges Handeln des Gefälligen ausgegangen (OLG Stuttgart, Urteil vom 08.05.2008, 13 U 223/07).

Anmerkung: Man muss betonen, dass es unter den Gerichten bis heute keine klare Einigkeit für oder gegen den Entfall des Haftungsprivilegs bei einer unterhaltenen Haftpflichtversicherung gibt. Nicht alle Gerichte befürworten eine Ungleichbehandlung zwischen haftpflichtversicherten und nicht versicherten Gefälligen hinsichtlich des „stillschweigenden Haftungsausschlusses“. Viele Gerichte lassen den alleinigen Umstand, dass der Gefällige haftpflichtversichert ist, insoweit nicht ausreichen, um die Haftung für einfache Fahrlässigkeit entfallen zu lassen (OLG Koblenz, Urteil vom 02.04.2014, 5 U 311/12; OLG Celle, Urteil vom 03.04.2014, 5 U 168/13).

Ich selbst befürworte eine abweichende Behandlung zwischen haftpflichtversicherten und nicht haftpflichtversicherten Gefälligen. Ein Haftungsverzicht, an den bei Abschluss der Vereinbarung über den Gefälligkeitsdienst niemand denkt, kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung auf der Grundlage des § 242 BGB bei Vorliegen besonderer Umstände angenommen werden. Das setzt voraus, dass der Gefällige (und spätere Schädiger) – soweit die Rechtslage beim Gespräch über die Vereinbarung angesprochen worden wäre – einen Haftungsverzicht (vom späteren Geschädigten) gefordert hätte und sich der Geschädigte diesem ausdrücklichen Ansinnen einer entsprechenden Abmachung billigerweise nicht hätte versagen dürfen. Soweit ein Gefälliger gegen Haftpflicht versichert ist, dürfte es stets an diesen Voraussetzungen ermangeln. Denn eine Haftungsbeschränkung, die nicht den Gefälligen, sondern den Haftpflichtversicherer entlastet, entspricht wohl kaum dem Willen der Vereinbarungsbeteiligten.

Im Ergebnis: keine Haftung für einfache Fahrlässigkeit beim Gefallen – einige Urteile

  • Ein Handwerker, der aus Gefälligkeit noch das Waschbecken einer anderen Partei unentgeltlich mit anschließt, muss nicht haften, wenn er das Becken versehentlich beschädigt – auch wenn er eine Haftpflichtversicherung besitzt; denn deren Inanspruchnahme ist unzumutbar, weil seine Versicherungsbeträge steigen könnten (OLG Celle, Urteil vom 03.04.2014, 5 U 168/13).
  • Der Onkel, der kurzzeitig auf die 3-jährige Nichte aufpasst, welche kurzzeitig unbeaufsichtigt im eingefriedeten Garten belassen wird und sich verletzt, weil sie über einen Zaun klettert, haftet nicht für die Gesundheitsschäden (LG Oldenburg, Urteil vom 10.01.2007, 5 O 1003/06).
Chat starten