Schlägerei auf der Arbeit – Berufsgenossenschaft zahlt nicht Medizinrecht

Schlägerei auf der Arbeit – Berufsgenossenschaft zahlt nicht

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Eine Schlägerei (z.B. unter Arbeitskollegen) kann unter bestimmten Voraussetzungen einen Arbeitsunfall mit entsprechenden versicherungsrechtlichen Konsequenzen darstellen und ist insoweit der Unfallversicherung zu melden.

Muss die Berufsgenossenschaft bei einer Schlägerei auf der Arbeit zahlen?

Ein Arbeitsunfall liegt, laut der gesetzlichen Definition des § 8 Absatz 1 SGB VII, bei einem solchen Unfall eines Versicherten vor, der „auf einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit“ basiert, wobei Unfälle „zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse“ sind, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.

Warum ist das überhaupt von Bedeutung?

Bei einem Arbeitsunfall sind zivilrechtliche Ansprüche eines geschädigten Arbeitnehmers im  Hinblick auf den von ihm erlittenen Personenschaden gegen einen unfallverursachenden Arbeitgeber und/oder Arbeitskollegen zumeist ausgeschlossen (es sei denn, dieser hat den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt). Getreu §§ 104 ff. SGB VII tritt die Berufsgenossenschaft in den Pflichtenkreis des Schädigers und übernimmt an dessen Stelle die Einstandspflicht.

Kann eine Prügelei wirklich einen Arbeitsunfall darstellen?

Eine Schlägerei könnte getreu dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII durchaus unter den Tatbestand des Arbeitsunfalls subsumiert werden. Zwar müssten diese infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit (betriebliche Tätigkeit) stattfinden, was im Betrieb eher selten der Fall sein dürfte. Denn Tätlichkeiten unter Arbeitskollegen sind im allgemeinen nicht zu billigen und insoweit nicht betrieblich veranlasst.
Schlaegerei unter Arbeitskollegen
Schlägerei kann einen Arbeitsunfall darstellen – dann muss die Berufsgenossenschaft zahlen
Wer als Arbeitnehmer durch eine Schlägerei im Unternehmen seines Arbeitgebers zu Schaden kommt, für den besteht ein  Versicherungsschutz also nur unter weiteren Voraussetzungen. Die Ursache der Schlägerei müsste, um einen Versicherungsschutz zu erlangen, in einem „betrieblichen Grund“ liegen. Zunächst muss festgestellt werden, ob eine Betriebsbezogenheit der schädigenden Handlung angenommen werden kann. Dies muss in jedem konkreten Einzelfall ermittelt werden. Die rein persönlich-private Tätigkeit zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses kann keine betriebsbezogenheit begründen. In diesen Fällen haften die Arbeitnehmer persönlich und im vollen Umfang selbst. Auch liegt ein betrieblicher Zusammenhang nicht schon dann vor, wenn die schädigende Handlung während der Arbeitszeit oder in den Räumen des Betriebes stattgefunden hat. Denn nicht jede Handlung innerhalb des Betriebes stellt eine betriebsbezogene Handlung dar, welche unter den Versicherungsschutz fällt. Voraussetzung ist vielmehr die Verursachung des Schadensereignisses durch eine Tätigkeit des Schädigers, die ihm übertragen oder die im Betriebsinteresse ausgeführt wurde. Auch muss die Zweckrichtung eine Betriebsbezogenheit aufweisen und aus objektiver Sicht im Interesse des Betriebes gehandelt werden. Daher spielt in der Abgrenzung, die Zweckrichtung aus Sicht des Schädigers, eine entscheidende Rolle. Der Begriff der „betrieblichen Tätigkeit“ ist weit auszulegen und umfasst daher auch solche Tätigkeiten, die der Arbeitnehmer verrichtet und die nicht unmittelbar in seinen Aufgabenkreis fallen. Tätigkeiten, welche in einem engen Zusammenhang zur betrieblichen Tätigkeit ausgeführt werden, stehen ebenso unter versicherungsrechtlichem Schutz.

Praxisbeispiele: Wann gilt Schlägerei als Betriebsunfall?

Wer aufmerksam die rechtlichen Maßgaben an einen Arbeitsunfall studiert, könnte geneigt sein, eine Schlägerei weitestgehend dem Umfeld des Arbeitsunfalls abzusprechen. Dafür gibt es jedoch keinen Anlass. Tatsächlich sind viele Konstellationen denkbar, in denen die Prügelei einen Betriebsunfall darstellen mag. Hier ein paar Beispiele aus der Praxis:
  • Wenn beispielsweise aus Anlass der Aufgabenzuweisung ein Streit entbrennt, der in eine körperliche Auseinandersetzung ausufert, könnte die Leistungspflicht der Berufsgenossenschaft erwachsen. In einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22.04.2004 zum Aktenzeichen 8 AZR 159/03 wurde ein Stoß vor die Brust, der in einem Streit zwischen zwei LKW Fahrern – aufgrund einer Beanstandung der Arbeitsleistung – erteilt wurde, als nicht unüblich angesehen. Das BAG entschied hier, dass es sich um einen Zwischenfall mit Bezug auf eine „betriebliche Tätigkeit“ handele. Folglich kann ein eskalierender Streit Ausdruck einer betrieblichen Zweckverfolgung sein, wenn er einer betrieblichen Gefahrenlage entspringt. Eine Schlägerei, aufgrund einer Verärgerung eines Arbeiters wegen einer Verspätung eines Arbeitskollegen kann daher unter Umständen einen Arbeitsunfall darstellen. Auch ein eskalierender Streit um Arbeitswerkzeug o.ä. kann eine Betriebsbezogenheit aufweisen und somit einen Arbeitsunfall darstellen.
  • In der betrieblichen Praxis noch häufiger anzutreffen, sind Unfälle auf dem Arbeitsweg. Wenn ein Arbeitnehmer auf dem Weg zur Arbeit z.B. von Teilnehmern einer Veranstaltung (z.b. einer laufenden Demonstration) angegriffen und verletzt wird, erleidet einen – der Unfallversicherung zu unterstellenden – Wegeunfall. Denn als Arbeitsunfall versicherte Tätigkeit gilt auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Dem Unfall auf dem Heimweg von der Arbeit hatten wir bereits einen Beitrag gewidmet.
  • Wer als Versicherter in einen Streit bzw. in eine Tätlichkeit als Unbeteiligter verwickelt wird, ohne selbst eine Handlung beigetragen zu haben, für den besteht – ungeachtet dessen, ob es sich um eine betriebsbezogene Tätigkeit handelt oder nicht – der Unfallversicherungsschutz. Denn bei unbeteiligten Personen wird eine Betriebsbezogenheit darin gesehen, dass sie am Arbeitsplatz aufgrund des bestehenden Beschäftigungsverhältnisses „gezwungen“ sind mit einem „streitsüchtigen Kollegen“ zusammenzuarbeiten.
Somit ist sogar recht häufig der Versicherungsfall bei einer Prügelei auf am Arbeitsplatz anzunehmen. Für die weite Auslegung des Begriffs der „betrieblichen Tätigkeit“ und die entschädigungsliberale Anwendung der Grundsätze über die Einstandspflichtigkeit der Berufsgenossenschaft als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sprechen Gründe des Betriebsfriedens. Vermieden werden soll, dass durch Auseinandersetzungen unter Arbeitnehmern, die sich mit der Verantwortlichkeit in Unfallkonstellationen befassen, der Betriebsfrieden gestört wird.

Wann muss der Schädiger mit einer Inanspruchnahme rechnen und zahlen?

Grundvoraussetzung für den Ausschluss der Haftung des Schädigers ist gemäß § 105 SGB VII jedoch (wie bereits erwähnt), dass kein Vorsatz des Schädigers vorliegt und zwar weder bezogen auf die schädigende Handlung, noch auf die Folgen der Handlung. Das heißt, dass wenn der Verursacher die Verletzungsfolgen seiner Handlung nicht abgesehen konnte, also diese nicht bewusst und gewollt herbeigeführt hat, er auch nicht vorsätzlich handelte. Daher löst die bloße Missachtung von Unfallverhütungsmaßnahmen sowie die Nichteinhaltung von Arbeitssicherungsvorschriften keine Haftung eines schadenverursachenden Arbeitnehmers aus. Es verbleibt bei der Einstandspflicht der Berufsgenossenschaft. Auf Schädiger- und Geschädigtenseite negiert weder ein verbotswidriges Handeln und selbst ein strafbares Verhalten sowie das Missachten von Regeln nicht ohne weiteres den Versicherungsschutz. Denn § 7 Abs. 2 SGB VII schließt, trotz des Vorliegens eines verbotswidrigen Verhaltens, den versicherungsrechtlichen Schutz nicht aus.

Welche versicherungsrechtlichen Folgen entstehen durch das Vorliegen eines Arbeitsunfalls?

In der Praxis kann es für den Geschädigten durchaus von Vorteil sein, wenn eine Schlägerei als „Arbeitsunfall“ eingestuft wird. Ein positiver Aspekt liegt darin, dass dieser mit der Berufsgenossenschaft einen solventen Haftungsschuldner bekommt. Nicht selten zieht eine Schlägerei massive gesundheitliche Beeinträchtigungen nach sich, die eine langwierige ärztliche Nachsorge erfordern. Hierunter kann es sein, dass diese finanziellen Summen vom Schädiger nicht aufgebracht werden können. Richtet ein Geschädigter aber seine Ansprüche gegen die Berufsgenossenschaft, so muss er solche Solvenzsorgen nicht tragen. Ein Vorteil für den Arbeitgeber ist, dass aufgrund des gesetzlich angeordneten doppelten Haftungsausschlusses auch der Arbeitgeber nicht persönlich in die Pflicht genommen werden kann. Zudem wird der Schädiger nicht doppelt belastet. Es muss bedacht werden, dass weitergehende Schadensersatzansprüche des verletzten Arbeitnehmers gegenüber dem Schädiger bei Arbeitsunfällen ausgeschlossen sind. So muss der schädigende Arbeitnehmer nicht befürchten auch ein Schmerzensgeld an den Geschädigten entrichten zu müssen. Gleichsam kann die Berufsgenossenschaft in mit einer Regressforderung konfrontieren. Die Berufsgenossenschaft kann sogar dem Arbeitgeber Regressansprüche entgegen halten – allerdings nur in seltenen Fällen. Der Arbeitgeber kann nur von der Berufsgenossenschaft in Regress genommen werden, wenn es aufgrund seines – für den Arbeitsunfall ursächlichen Verhaltens – nicht mehr gerechtfertigt erscheint, die Unfallfolgen auf die in der Berufsgenossenschaft zusammengeschlossenen Unternehmen abzuwälzen. Davon kann nur dann ausgegangen werden, wenn eine massive und subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung des Arbeitsgebers vorliegt, die der groben Fahrlässigkeit oder dem Vorsatz des Arbeitgebers unterstellt werden kann.

Wann muss die Unfallversicherung nicht zahlen?

Im privaten Umfeld ist eine Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der Berufsgenossenschaft ausgeschlossen. Diese würde bei einer privaten Auseinandersetzung zwischen zwei Arbeitskollegen, die sich z.B. während der Mittagspause ereignet, nicht haften. In solchen Fällen wäre eine private Unfallversicherung vonnöten. Eine Schlägerei in eigenwirtschaftlicher Tätigkeit ist mithin nicht versichert. Zur Sicherheit sollte der Schadensfall immer unverzüglich der Versicherung angezeigt werden. Dies sollte eigentlich auch der mit der Untersuchung des Geschädigten betraute Durchgangsarzt anregen.

Fazit: Die Berufsgenossenschaft muss in vielen Konstellationen einer Schlägerei auf der Arbeit zahlen

Tätliche Angriffe auf einen Vorgesetzten oder einen Mitarbeiter können unter den oben genannten zusätzlichen Voraussetzungen einen versicherungsrechtlich abgesicherten Arbeitsunfall darstellen, mit der Folge eines Anspruchs gegen die Berufsgenossenschaft. Trotz einer bestehenden Leistungspflicht versagt die Unfallversicherung einem Versicherten mitunter Leistungen, wenn es um Gesundheitsschäden die aus einer Schlägerei herrühren. Ob dies begründet ist oder nicht, wird der Arbeitnehmer mit Rücksicht auf die obenstehenden Grundsätze bewerten können. Wenn der Geschädigte die Ablehung als ungerechtfertigt ansieht, sollte er sich unverzüglich an einen mit dem Unfallversicherungsrecht betrauten Rechtsanwalt wenden.
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