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Nie zuvor war die Einhaltung und Beachtung der von Fachleuten entwickelten Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen so elementar wichtig wie heute. Das gilt gerade für die pflegebedürftigen und alten Menschen in unserer Gesellschaft. Regelmäßiges Händewaschen und das Tragen eines Mundschutzes alleine genügen schon seit Beginn der Corona-Krise nicht mehr. Denn insbesondere für ältere Menschen und Personen mit vorbestehenden Grunderkrankungen sind COVID-19-Infektionen lebensgefährlich. Nicht umsonst spricht man von der sogenannten Risikogruppe, zu der auch Sie gehören. Sollten Sie sich nun trotz allem infolge einer Verletzung der Hygiene- und Infektionsschutzvorschriften mit dem Virus angesteckt haben, stellen sich allerdings nicht nur medizinische Fragen. Löst die Nichtbeachtung der gebotenen Sorgfalt Ersatzansprüche zu Ihren Gunsten aus? Und wer haftet Ihnen gegenüber überhaupt für den entstandenen Schaden?
Hygiene im Pflegeheim – Schutz vor Infektionen
„Tod im Pflegeheim“ oder „im Pflegeheim infiziert“: mannigfaltig sind die Pressemeldungen während die Corona Pandemie die Welt beschäftigt. Immer wieder werden die Hygiene- und Schutzmaßnahmen angeprangert. Heimbewohner müssen dies nicht sehenden Auges hinnehmen. Ihnen stehen Ansprüche gegen den Pflegeheimbetreiber zu, wenn Infektionsschutzmaßgaben mißachtet werden. Wir beleuchten die vertraglichen und deliktischen Ansprüche.
Worauf stützen sich die vertraglichen Ansprüche? Die vertragliche Grundlage Ihrer Unterbringung und Behandlung im Pflegeheim bildet der sogenannte Heimvertrag. Diesen haben Sie oder Ihr Vormund mit der jeweiligen Pflegeeinrichtung respektive dessen Betreiber abgeschlossen.
Insbesondere verpflichtet der Vertrag den Heimträger zur Überlassung von Wohnraum sowie zur Erbringung von Pflege- und Betreuungsleistungen, die der Bewältigung eines durch Lebensalter, Pflegebedürftigkeit oder Behinderung bedingten Hilfsbedarfs dienen. Als medizinische Hauptleistungspflicht definiert § 7 Abs. 1 WBVG die Erbringung eben dieser vertraglich vereinbarten Pflege- und Betreuungsleistungen gerade nach dem allgemein anerkannten Stand fachlicher Erkenntnisse.
Was empfiehlt das Robert Koch-Institut als Hygienestandard im Pflegeheim?
Dieser allgemein anerkannte Stand fachlicher Erkenntnisse schließt selbstredend auch die einschlägigen Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen mit ein. Die diesbezüglich jederzeit gültigen Grundsätze werden gerade jetzt in Zeiten von COVID-19 durch Leitlinien und Empfehlungen der Gesundheitsbehörden konkretisiert und verschärft.
Besondere Bedeutung hinsichtlich der Behandlung pflegebedürftiger Menschen in entsprechenden Einrichtungen haben die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts an Beschäftige und verantwortliche Leitungen von Alten- und Pflegeheimen und von Einrichtungen für die Betreuung von Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen sowie an den öffentlichen Gesundheitsdienst. Selbige sind unter dem Titel „Prävention und Management von COVID-19 in Alten- und Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen“ im Internet abrufbar und werden fortlaufend aktualisiert.
Kernpunkte: Basismaßnahmen im Altenheim als Schutz gegen Infektionen
Zunächst listet das Robert-Koch Institut einige Kernmaßnahmen für Alten- und Pflegeeinrichtungen auf. Primär geht es dabei um die strikte Einhaltung der Basishygiene einschließlich der Händehygiene und die konsequente Umsetzung der Vorgaben des Hygieneplans der Einrichtung. Der Hygieneplan soll schriftlich niedergelegte Verfahrensweisen zur Einhaltung und Gewährleistung bestimmter Hygiene-Standards enthalten, um Infektionen zu verhindern oder einzudämmen. Er soll auch die schriftliche Dokumentation durchgeführter Maßnahmen sowie konkrete Desinfektionspläne enthalten. Das gesamte Mitarbeiterteam muss sich an die im Plan festgelegten Anweisungen halten, da diese als Dienstanweisung gelten. Deshalb muss der Hygieneplan an einem für die Beschäftigten zugänglichen Ort aufbewahrt werden.
Aktuell sollte der Hygieneplan vor allem die folgenden Hygienemaßnahmen vorsehen:
- Einhaltung von Husten- und Nieß-Regeln: Husten und Nießen in die Ellenbeuge oder in ein Einmaltaschentuch, nicht in die Hand.
- Vermeidung der Berührung des Gesichts, insbesondere von Mund und Nase
- Händehygiene: Ausgiebiges Händewaschen vor und nach der Zubereitung von Speisen, vor dem Essen, nach dem Toilettengang, nach einem Aufenthalt im Freien, nach Berührung von gemeinsam genutzten Gegenständen (Türgriffe etc.) sowie beim Betreten und Verlassen des Patientenzimmers
- Beachtung der Abstandsregelung
- Generelles Tragen von Mund-Nasen-Schutz auch außerhalb der direkten Versorgung von COVID-19-Patienten durch sämtliches Personal mit direktem Kontakt zu allen Risikogruppen
Erweitere Maßnahmen im Infektionsschutz
Darüber hinaus finden in bestimmten Bereichen und Situationen erweiterte Hygiene- und Infektionskontrollmaßnahmen Anwendung.
Desinfektion und Reinigung
- Tägliche Reinigung der stark frequentierten Flächen in Wohn- und Pflegebereichen sowie der Sanitäreinheiten einschließlich von Türen und Türklinken
- Wöchentliche Reinigung der Oberflächen von Einrichtungsgegenständen wie zum Beispiel Schränken, Heizkörpern, Stühlen und Regalen
- Nach jeder Benutzung – soweit keine personengebundene Nutzung erfolgt: Toilettenstühle, Badewanne, Waschschüsseln, Fieberthermometer, Blutdruckmanschette
- Bei Bewohnerwechsel: Flächen im Bewohnerzimmer, Matratzen, Nackenrollen
Besucherregelungen gegen Ansteckungen
Die Entscheidung, ob und unter welchen Bedingungen Besuchern Zutritt gestattet wird, hängt auch von der lokalen Situation ab und sollte von der Einrichtung gegebenenfalls in Abstimmung mit dem zuständigen Gesundheitsamt getroffen werden. Generell sollten soziale Kontakte möglichst über Telekommunikation anstatt über persönliche Besuche erfolgen. Für den Fall, dass Besuche dennoch zugelassen werden, gilt folgendes:
- Jeder Besuch muss registriert werden: Name und Adresse des Besuchers, Datum des Besuchs, besuchter Heimbewohner
- Die Besuche sollen auf ein Minimum beschränkt und zeitlich begrenzt werden
- Die Besucher müssen in den erforderlichen Schutzmaßnahmen unterwiesen werden
Welche Ansprüche bestehen bei Missachtung der Hygienemaßnahmen?
Hat das Pflegeheim oder ein einzelner Mitarbeiter diese Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen ignoriert oder nicht hinreichend umgesetzt und haben Sie sich deshalb mit dem Corona-Virus infiziert, haftet grundsätzlich der Heimträger für den dadurch entstandenen Schaden. Durch die Erkrankung angefallene Unkosten können Sie so ersetzt verlangen.
Primär beruht diese Haftung auf dem zwischen Ihnen und dem Heimbetreiber geschlossenen Heimvertrag. Die Geltendmachung solcher vertraglicher Ersatzansprüche bietet für Sie den nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass nach Maßgabe von § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB das Verschulden Ihres Anspruchsgegners vermutet wird. Das bedeutet, dass Sie bei der gerichtlichen Geltendmachung dieser Ansprüche keine Beweise für das Fehlverhalten des Heimbetreibers oder seines Personals vorbringen müssen. Stattdessen muss sich der Heimträger exkulpieren, d.h. entlasten, und das Nichtvorliegen einer schadensersatzbegründenden, schuldhaften Pflichtverletzung beweisen. Auf der anderen Seite sind die auf dem Heimvertrag gestützten Ansprüche nur auf einen einfachen Schadensausgleich gerichtet (Übernahme von Behandlungs- oder Medikamentenkosten, Erstattung etwaiger entgangener Gewinne, Zahlung eines möglichen Haushaltsführungsschadens). Eine Zahlung von Schmerzensgeld scheidet dagegen aus.
Deliktische Schadensersatzansprüche, die Ihnen bei Nichtbeachtung der einschlägigen Hygiene- und Infektionsschutzvorschriften ebenfalls zustehen, sind dagegen auch auf ein angemessenes Schmerzensgeld gerichtet. Allerdings können Sie sich dafür nicht auf die oben beschriebene Vermutung des Verschuldens Ihres Anspruchsgegners berufen. Die Beweispflicht liegt stattdessen auf Ihrer Seite.
Kausalitätsprobleme bei der Anspruchsdurchsetzung
All diese Überlegungen stehen und fallen jedoch mit der sehr bedeutenden Frage, ob Sie die Kausalität der Verletzungshandlung für den erlittenen Schaden nachweisen können. Anders ausgedrückt: Können Sie beweisen, dass Sie sich gerade aufgrund der gerügten Handlung oder Unterlassung des Heimbetreibers oder seines Personals mit dem Corona-Virus angesteckt haben? Oder hätten Sie als erkrankte Person sich auch ohne dieses Fehlverhalten infiziert?
Dies zu klären ist schwierig, aber nicht gänzlich unmöglich. Denn Virologen und Ärzte verfügen mittlerweile erfreulicher Weise über Möglichkeiten, mithilfe derer die Infektionsketten sehr gut nachvollzogen werden können. Und anders als beispielsweise in stark frequentierten Supermärkten sorgt speziell in Pflegeheimen die gerade aktuell geringe Personendichte für eine gute Nachvollziehbarkeit der Ansteckungswege. Schließlich hatten Sie in den Tagen vor dem Ausbruch der Krankheit im Zweifel nicht mit unzählig vielen Menschen Kontakt, sondern bloß mit anderen Bewohnern, Mitarbeitern des Pflegeheims oder etwaigen Besuchern, die der Einrichtung allesamt mit Namen und Adressen bekannt sein sollten. Vor diesem Hintergrund wird sich wohl schnell klären lassen, auf welchem Wege Sie sich bei welcher Person mit dem Virus angesteckt haben.
Wie steigere ich als Heimbewohner meine Erfolgsaussichten bei der Geltendmachung?
Soweit Ihre körperliche Verfassung dies zulässt, sollten Sie Fotos sowie ein Geschehensprotokoll von den Ihrer Ansicht nach mangelhaften Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen machen. Notieren Sie sich etwa zumindest, wann welcher Pfleger keine ausreichende Schutzkleidung getragen hat oder wann welche Einrichtungsgegenstände nicht hinreichend desinfiziert wurden. So können Sie etwaige spätere Beweisschwierigkeiten – insbesondere bei der Verfolgung deliktischer Ansprüche – nach Möglichkeit umgehen. Außerdem sollten Sie bereits zu diesem Zeitpunkt Ihren Fokus auf Zeugen legen, die in einem möglicherweise folgenden Gerichtsverfahren zu Ihren Gunsten aussagen und Ihre Ansicht bestätigen können. Falls also jemand anwesend war, als bestimmte Hygieneanweisungen missachtet wurden und dies bemerkt hat, notieren Sie unbedingt – soweit noch nicht bekannt – dessen Namen und Anschrift.
Sobald sich Ihr Gesundheitszustand nach der Infizierung wieder gebessert hat, sollten Sie zudem unbedingt einige weitere wichtige Maßnahmen treffen, um Ihre vertragliche und deliktischen Ansprüche möglichst reibungslos und unkompliziert geltend machen zu können:
- Falls Sie rechtsschutzversichert sind: Kontaktieren Sie noch vor der Inanspruchnahme des Heimträgers Ihre Rechtsschutzversicherung und bitte Sie diese um eine Deckungszusage für die außergerichtliche Auseinandersetzung.
- Setzen Sie sich anschließend mit dem Heimträger in Verbindung und fordern Sie von diesem unter Setzung einer angemessenen Frist eine Schadenseinstandspflicht dem Grunde nach.
- Reagiert der Heimträger darauf nicht, können Sie nach fruchtlosem Fristablauf Klage beim zuständigen Gericht einreichen. Je nach Höhe des Streitwerts liegt die Zuständigkeit entweder beim Amtsgericht (unter 5.000€) oder beim Landgericht (über 5.000€). Vor letzterem gilt allerdings der sogenannte Anwaltszwang. Sie müssen sich dort also durch einen Rechtsbeistand vertreten lassen.
Die so umrissenen Verhaltensempfehlungen gelten selbstredend nicht nur für die infizierte Person selber, sondern auch für etwaige an einer Anspruchsverfolgung interessierte Rechtsnachfolger. Sollte etwa Ihr Vater, Ihre Mutter oder ein sonstiger Angehöriger bedauerlicher Weise infolge der Ansteckung verstorben sein, können Sie als Erbe die in diesem Beitrag aufgelisteten Ansprüche aus übergegangenem Recht gemäß § 1922 Abs. 1 BGB geltend machen.