Schadensersatz beim Sturz im Winter Haftungsrecht

Schadensersatz beim Sturz im Winter

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Sie sind im Winter zu Sturz gekommen und haben sich dabei verletzt und Ihr Eigentum kam zu Schaden. Nun stellen sich die Frage, ob und ggf. wer Ihnen zum Schadensersatz oder zur Zahlung eines Schmerzensgeldes verpflichtet ist. Dieser Beitrag soll Ihnen einen Überblick über die Haftungssituation verschaffen.

Schadensersatz beim Sturz eines Passanten auf eisglattem Weg

In der Winterzeit sorgen Eis und überfrierende Nässe für viele Stürze auf Gehwegen, Hofeinfahren und Grundstückszugängen. Daraus kann sich ein Schadensersatzanspruch ergeben – insbesondere wenn diese nicht gestreut oder nicht geräumt worden sind.

Wie viel Schadensersatz bekommt man? Beispiele und Urteile

  • 1.278 Euro: In einem vor dem OLG München verhandelten Fall, in dem eine Frau wegen einer Verletzung der Streupflicht eine Speichenfraktur am Unterarm erlitt, wurde ein Schmerzensgeld unter Berücksichtigung eines 50%igen Mitverschuldens in Höhe von 1.278 € geltend gemacht (OLG München, Urteil vom 01.04.1999, 1 U 5294/98).
  • 4.000 Euro: Ein Kläger erhielt für eine Fraktur des linken Unterarms, welche die Bewegungsfähigkeit erheblich einschränkt und weitere Operationen erfordert, ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000 € aufgrund einer Streupflichtverletzung (AG Berlin, Urteil vom 07.06.2011, 3 C 37/11).
  • 3.400 Euro: Das OLG Koblenz entschied über einen Fall, in dem die Klägerin aufgrund einer unzureichenden Sicherung von Glättestellen im Rahmen der Streu- und Räumungspflicht stürzte und eine Unterarmfraktur mit dauernden Beweglichkeits- und Belastungseinschränkungen erlitt. Das OLG Koblenz hat der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.400 € bei 1/3 Mitverschulden zugesprochen (OLG Koblenz, Urteil vom 30.07.2020, 1 U 421/20).
  • 3.000 Euro: Nachdem eine Fußgängerin aufgrund der Verkehrssicherungspflichtverletzung auf glatter Fahrbahn stürzte und einen Bruch der Speiche oberhalb des Handgelenkes erlitt, entschied das OLG Hamm über ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000 € bei 50%igem Mitverschulden (OLG Hamm, Urteil vom 02.05.2012, 8 O 519/11).
  • 12.000 Euro: In einem vor dem OLG Düsseldorf verhandelten Fall, in dem die Klägerin durch einen Sturz eine Schädelfraktur mit kleiner Einblutung sowie eine Gehirnerschütterung erlitt und noch mehrere Monate unter Kopfschmerzen und Schwindelsymptomen litt, wurde über ein Schmerzensgeld in Höhe von 12.000 € entschieden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.02.2009, 2b I 213/06).
  • 15.000 Euro: Eine Klägerin erlitt aufgrund der Streupflichtverletzung vor einem Geschäftseingang infolge eines Sturzes eine Handgelenksverletzung mit Bänderverletzung und weiteren Prellungen im Bereich der Ellenbogen, des Beckens und der Wirbelsäule. Es ist mit einer dauerhaften Bewegungseinschränkung des Handgelenks zu rechnen. Das LG Braunschweig hat in diesem Fall ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 € geltend gemacht (LG Braunschweig, Urteil vom 08.07.2008, 7 O 3214/06).
  • 7.000 Euro: In einem weiteren Fall zog sich eine Klägerin eine Oberschenkelhalsfraktur zu, weil die Räum- und Streupflicht nicht wirksam auf eine andere Person übertragen wurde und die Klägerin auf einer vereisten Fläche stürzte, weil der Streu- und Räumpflicht nicht ausreichend nachgekommen ist. Das OLG Hamm hat der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.000 € bei 1/3 Mitverschulden zugesprochen (OLG Hamm, Urteil vom 21.12.2012, 9 U 38/12).
  • 2.500 Euro: Das OLG Hamm hat über ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.500 € entschieden, weil ein Kläger an einer vereisten Bushaltestelle stürzte und sich eine Fuß-/Sprunggelenkfraktur zuzog (OLG Hamm, Urteil vom 14.01.2005, 9 U 116/95).
  • 8.181 Euro: In einem Fall vor dem OLG Hamm, in dem eine Frau aufgrund einer Streupflichtverletzung gestürzt ist und sich das Sprunggelenk, die Wade und den Innenknöchel gebrochen hat, wurde ein Schmerzensgeld in Höhe von 8.181 € geltend gemacht (OLG Hamm, Urteil vom 13.09.2002, 9 U 49/02).
  • 10.000 Euro: Ein Kläger, welcher sich infolge eines Glatteisunfalls einen Trümmerbruch am Unterschenkel/oberen Sprunggelenk mit Sprunggelenkversteifung zuzog, hat ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 € bei anteiligem Mitverschulden (50 %) erhalten (LG Essen, Urteil vom 05.05.2014, 11 O 10/02).

Wer haftet bei einem Sturz?

Grundsätzlich müssen Sie sich bei einem Sach- oder Personenschaden an den Grundstückseigentümer wenden. Dieser hat Gehwege vor dem eigenen Grundstück bei Eis zu bestreuen und/oder vom Eis zu befreien sowie den sicheren Zugang zum Haus sicherzustellen.

Die Streupflicht für die öffentlichen Gehwege vor dem eigenen Grundstück wird regelmäßig durch kommunale Satzung auf die privaten Anlieger der Straße übertragen. Der Grundstückseigentümer kann diese Verkehrssicherungspflicht wiederum auf die Mieter oder ein gewerbliches Unternehmen übertragen. Hierdurch wird der Eigentümer jedoch nicht komplett von der Haftung befreit, sondern muss die ordnungsgemäße Ausführung der Streupflicht weiterhin überwachen.

Die Verpflichtung für die Winterwartung sowie die Beseitigung von Unkraut wird für sämtliche Gehwege den Grundstückseigentümern übertragen.

Auszug aus einer kommunalen Straßenreinigungssatzung

Wann muss gestreut werden?

Sturz im Winter
Es wird glatt – wer wann streuen muss

Es gibt regionale Unterschiede bezüglich der Modalitäten der Streupflichten. Zumeist sind Streupflichten an Werktagen ab 7:00 Uhr morgens und in der übrigen Zeit ab 9:00 Uhr wahrzunehmen. In den meisten Regionen Deutschlands endet die Streupflicht um 20:00 Uhr.

Wie kann ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden?

Bei einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht richtet sich der Schadensersatzanspruch grundsätzlich nach § 823 I BGB. Zu beachten ist, dass nicht jeder Sturz auf einem glatten Gehweg unmittelbar eine Schadensersatzpflicht auslöst.

Nur soweit ein Grundstückseigentümer (oder ein von ihm mit der Wahrnehmung der Räum- und Streupflichten Beauftragter) seine Winterwartungspflicht schuldhaft verletzt und der betroffene Passant aufgrund dieser Streupflichtverletzung auf dem eisglatten Gehweg zu Fall kommt und sich verletzt (wobei die Verletzung, die auf den Sturz zurückzuführen sein muss), kann der Betroffene einen Schadensersatzanspruch und etwaige Ansprüche auf Schmerzensgeld gegenüber dem Träger der Verkehrssicherungspflicht geltend machen.

Um sich auf einen entsprechenden Anspruch stützen zu können, müssen Sie zunächst beweisen, dass eine Streupflicht des Verantwortlichen zum Zeitpunkt des Unfalls bestand und diese verletzt wurde. Die Streupflicht besteht, sobald eine Gefährdung durch allgemeine Glättebildung gegeben ist. Einzelne Glättestellen sind nicht ausreichend (BGH, Urteil vom 12.06.2012 – VI ZR 138/11).

Um die Streupflichtverletzung beweisen zu können, sollten Sie den Unfall hinreichend protokollieren. Hierfür haben wir folgende Checkliste für Sie zusammengestellt:

Checkliste: Dokumentation des Unfallhergangs

  • Haben andere Passanten den Unfall beobachtet, so sollten Sie die Personalien erfassen. Diese Passanten könnten als Zeugen auftreten und das Wetter sowie die örtlichen Verhältnisse bezeugen.
  • Dokumentieren Sie Datum und Uhrzeit des Unfallzeitpunkts.
  • Dokumentieren Sie die Unfallstelle mithilfe von Foto- und Videoaufnahmen.
  • Wetterberichte können beweisen, dass eine Streupflicht aufgrund der Wetterlage zum Zeitpunkt des Unfalls vorlag. Entscheidend ist die Wetterlage an der Unfallstelle.
  • Suchen Sie direkt nach dem Unfallereignis einen Arzt auf, welcher die Verletzungen und eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Dies kann insbesondere für den Fall von Schmerzensgeldansprüchen relevant sein.

Was wird vom Schadensersatz erfasst?

Als Geschädigte/r können Sie sowohl materielle als auch immaterielle Schäden ersetzt bekommen. Unter materielle Schäden fallen beschädigte Kleidung und weiteres Eigentum (wie z.B. das Smartphone), ärztliche Behandlungen sowie Verdienstausfall. Zudem können immaterielle Schäden in Form von Schmerzensgeld geltend gemacht werden. Die Höhe des Schmerzensgeldes bemisst sich anhand der jeweiligen Verletzung und möglichen Folgeschäden. In der Regel greift die Haftpflichtversicherung des Verantwortlichen bei einer grob fahrlässigen und nicht vorsätzlichen Verkehrssicherungspflichtverletzung.

Wann sind Sie für den Sturz mitverantwortlich?

Unter Umständen kann Sie als Geschädigte/r ein Mitverschulden treffen. Haben Sie eine offensichtlich vereiste Fläche trotzdem genutzt, obwohl dies vermeidbar war, oder ungeeignetes Schuhwerk getragen, sind Sie für den Unfall mitverantwortlich. Die Haftung des Trägers der Verkehrssicherungspflicht kann dann herabgesetzt oder sogar ausgeschlossen werden.

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