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Mussten Sie feststellen, dass das E-Bike, das Sie vor kurzem gekauft haben, mangelhaft ist? Ist vielleicht der Akku des Pedelec viel zu schnell leer und die Reichweite sehr begrenzt? Oder ist die Motorleistung enttäuschend und reicht bei Weitem nicht aus, um den angegebenen Wert zu erreichen? Vielleicht weist Ihr Pedelec auch einen Mangel auf, den Sie erst nach dem Kauf entdeckt haben. Wir zeigen Ihnen, was Sie tun können, wenn Ihr Fahrradverkäufer sich weigert den Mangel anzuerkennen und das E-Bike sachgerecht zu reparieren. Dabei haben wir uns bemüht, die wichtigsten Rechte für Sie als E-Bike Käufer verständlich darzulegen.
Mängel und Defekte beim E-Bike
In diesem umfangreichen Beitrag haben wir unsere Erfahrungen aus zahlreichen gerichtlichen und außergerichtlichen Auseinandersetzungen mit E-Bike Verkäufern einfließen lassen. Der Beitrag soll Ihnen als E-Bike Käufer einen echten Mehrwert liefern. Sie finden hier:
- Von der Rechtsprechung anerkannte Mängel am E-Bike
- Einzuhaltende Qualitäts- und Sicherheitsstandards beim E-Bike
- Mein Recht auf Nacherfüllung (Reparatur und Neulieferung)
- Muss ich das E-Bike zur Reparatur an den Verkäufer senden oder wird es abgeholt?
- Darf ich das Rad selbst reparieren und Ersatz der Reparaturkosten verlangen?
- Wie erkläre ich den Rücktritt vom Kaufvertrag? (inkl. Musterschreiben)
- Wann darf ich den Kaufpreis mindern?
- Unter welchen Voraussetzungen darf ich Schadensersatz verlangen?
- Anfechtung der Erklärung zum Vertragsschluss (inkl. Musterschreiben)
- Widerruf des Kaufvertrags
- Wie kann ich eine Herstellergarantie in Anspruch nehmen?
- Für welche Produktfehler muss der E-Bike Hersteller haften?
- Welche Ansprüche habe ich bei einem gebrauchten E-Bike?
Bevor wir klären, wie Sie sich verhalten, wenn Ihr E-Bike defekt ist, soll es zunächst um die Frage gehen, wann überhaupt ein (von der Rechtsprechung anerkannter) Mangel an Ihrem E-Bike vorliegt. Aus unserer Praxis- und Gerichtserfahrung wissen wir, dass viele E-Bike Verkäufer (Händler und Privatverkäufer) sich nur allzu gerne darauf berufen, dass gerügte Funktionsbeeinträchtigungen an dem Pedelec gar keine Mängel darstellen würden.
Hintergrund ist, dass der E-Bike Verkäufer grundsätzlich verpflichtet ist, Ihnen ein E-Bike zur Verfügung zu stellen, welches keinerlei Mängel aufweist. Grund genug, um einmal einen Blick auf die häufigsten Mängel beim E-Bike zu werfen.
Checkliste: Typische Mängel beim E-Bike
Die nachstehende Liste soll Ihnen Defekte an einem E-Bike aufzeigen, welche die Rechtsprechung als Mängel anerkannt hat. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
- Defekte am Motor des E-Bikes sind der wohl häufigste Mangel. Normuntypische Beeinträchtigungen der Motorleistung gelten unweigerlich als Mangel.
- Der defekte E-Bike Akku stellt einen Mangel dar. Streitig ist aber, ab welcher Minderung eine herabgesetzte Akkuleistung einen Mangel darstellt. Bei gebrauchten E-Bikes muss ein „gewisser“ nutzungs- und lagerungsbedingter Alterungsprozess hingenommen werden. Dieser muss sich allerdings im alters- und gebrauchsüblichen Rahmen bewegen (üblicherweise maximal 10 Prozent pro Jahr). Den Akkuzustand können Sie mit einem Batterietester bestimmen.
- Ist am E-Bike das Display dergestalt defekt, dass es nicht mehr lesbar oder bedienbar ist, stellt dies einen Mangel dar.
- Ein Defekt an der Schaltung des Elektrofahrrades stellt einen Mangel dar. Fehlfunktionen der Nabenschaltung oder Kettenschaltung stellen regelmäßig komfort- und sicherheitsrelevante Einschränkungen dar.
- Ist der Controller an Ihrem E-Bike defekt, so stellt auch dies regelmäßig einen Mangel dar. Technische Beeinträchtigungen des Steuergerätes haben i. d. R. Einfluss auf die Datenverarbeitung. Der Empfang der Daten der Sensoren oder die Weitergabe der Schaltbefehle von der elektronischen Schaltzentrale an Akku und Motor sind betroffen. Defekte am Controller sind insoweit grundsätzlich als Mängel anerkannt.
- Fehlfunktionen an den Sensoren (PAS Sensor, Bewegungssensor oder Drehmomentsensor) haben Einfluss auf die motorgestützte Fortbewegung. Soweit nicht mehr korrekt erkannt wird, ob oder wie stark die Pedale getreten werden oder nicht, ist darin ein Mangel zu sehen. Selbiges gilt, wenn die sensorischen Werte über die Drehgeschwindigkeit der Pedale den Toleranzbereich verlassen.
- Dazu gehört auch ein Defekt im Freilauf-Betrieb. Ein defekter Freilauf stellt eine sicherheitsrelevante Beeinträchtigung des Fahrverhaltens und damit selbstverständlich einen Mangel dar.
- Eine kaputte Ladebuchse am E-Bike stellt grundsätzlich einen Mangel dar. Anerkannt ist dies in jedem Falle, wenn Ladefunktion oder Sicherheit beim Ladevorgang nicht gewährleistet sind. Auch eine defekte Ladebuchsen-Schutzkappe oder ein kaputtes Ladegerät fällt in diese Kategorie.
- Ein defektes Licht stellt schränkt die nächtliche Betriebsbereitschaft ein und stellt mitunter ein sicherheitsrelevantes Risiko dar. Daher wird es als Mangel angesehen.
- Defekte an den Bremsen eines E-Bikes stellen ein Sicherheitsrisiko dar und sorgen regelmäßig für Rückrufaktionen der Hersteller. Die gebrauchsübliche Abnutzung von Bremsbelägen ist hingegen als hinzunehmender Verschleiß zu qualifizieren.
- In seltenen Ausnahmefällen kann sogar Rost, soweit dieser über die gewöhnliche lagerungs- und altersbedingte Korrosion hinausgeht, einen Sachmangel darstellen (BGH, Urteil vom 09.09.2020, VIII ZR 150/18). Das gilt insbesondere, wenn dieser die Verkehrssicherheit des E-Bikes beeinträchtigt.
Losgelöst von der dargestellten Mängelliste können auch andere Defizite oder Defekte an dem Pedelec als Mängel zu qualifizieren sein.
Seit der Reform des Kaufrechts vom 01.01.2022 wurde der Begriff des Sachmangels konkretisiert und erweitert. Wenn Sie mit dem Verkäufer eine bestimmte Beschaffenheit des E-Bikes vereinbart haben oder eine bestimmte Einsatzmöglichkeit oder soweit Ihnen vom Verkäufer ein bestimmtes E-Bike Zubehör zugesagt wurde, so müssen diese Voraussetzungen gegeben sein, andernfalls liegt ein Mangel gem. § 434 Abs. 2 BGB vor. Darüber hinaus muss sich das E-Bike auch für die gewöhnliche Verwendung eignen, d. h. es muss eine – der Kategorie und dem Modell entsprechende – sichere, funktions- und komfortübliche Führung des Rades erlauben. Überdies muss das E-Bike die fabrikats- und modellübliche Beschaffenheit (bzgl. Haltbarkeit, Funktionalität, Kompatibilität sowie Sicherheit) aufweisen und mit sämtlichem beworbenen und erwartungsgerechten Zubehör übergeben werden. Fehlt es an einer dieser Voraussetzungen ist das E-Bike mangelhaft gem. § 434 Abs. 3 BGB.
Soweit Sie Ihr E-Bike im Fachhandel erwerben, wird man Ihnen regelmäßig die Montage des Elektrofahrrades anbieten, damit Sie das Rad direkt in Betrieb nehmen können. Erfolgt die vereinbarte Montage nicht sachgerecht, stellt auch dies einen Mangel dar. Dasselbe gilt auch dann, wenn Ihnen der Verkäufer zunächst ein bestimmtes Muster Ihres E-Bike-Modells zum Testen zur Verfügung stellt und Ihnen wahrheitswidrig zusichert, dieses entspräche Ihrem bestellten Rad. Auch in diesem Fall ist Ihr E-Bike mangelhaft.
Minderwertiges E-Bike und die Pedelec Qualitätsstandards
Gerade bei günstigen E-Bike Angeboten im Handel haben wir die Erfahrung gemacht, dass es überproportional häufig zu Auseinandersetzungen zwischen E-Bike Verkäufer und Kunde kommt. Dabei spielt fast immer die Qualität des Pedelec eine streitwesentliche Rolle. Daher darf ich an dieser Stelle einmal festhalten, dass es für alle in der Europäischen Union veräußerten E-Bikes einheitliche Qualitätsstandards gibt. Abweichungen von diesen Standards, die vornehmlich der Sicherheit dienen, stellen einen Mangel dar.
Die Belastbarkeit und Haltbarkeit eines E-Bikes untersteht den Sicherheitsbestimmungen der DIN EN ISO 4210 Norm. Ferner muss der Akku des E-Bikes dem Sicherheitsstandard der DIN EN 50604-1 Norm entsprechen. Die mechanischen und elektrischen Sicherheitsanforderungen an das E-Bike unterstehen überdies den Maßgaben der europäischen Norm DIN EN 15194. Hinweise auf die Normkonformität Ihres E-Bikes finden Sie regelmäßig in der Kennzeichnung am Rahmen Ihres Pedelecs sowie in der Gebrauchsanweisung zu Ihrem E-Bike.
Minderwertige Import-Bikes werden oftmals den europäischen Qualitätsstandards nicht gerecht. Der deutsche Kunde darf dennoch erwarten, dass ein E-Bike, das er über einen deutschen Händler bezieht, den Sicherheits- und Qualitätsstandards entspricht.
Wie verhalte ich mich, wenn mein E-Bike defekt ist?
Wichtig ist zunächst, dass der Sachmangel zum Zeitpunkt der Übergabe des E-Bikes an Sie vorgelegen haben muss, § 434 Abs. 1 BGB. Die Beweislast hierfür tragen grundsätzlich Sie als Käufer des Pedelec.
Haben Sie das Elektrofahrrad als Privatpersonen zu nicht gewerblichen Zwecken (§ 13 BGB) erworben, so kommen Ihnen aber die Sonderregelungen zum sog. „Verbrauchsgüterkauf“ zugute. Ganz im Sinne des Verbraucherschutzes enthält § 477 Abs. 1 BGB die gesetzliche Vermutung, dass ein Mangel an Ihrem E-Bike, der innerhalb eines Jahres nach Entgegennahme des E-Bikes auftritt, schon bei Übergabe des Pedelec vorlag.
Der Verkäufer müsste dann darlegen und beweisen, dass der Mangel erst nach Gefahrübergang eingetreten ist, wie z.B. durch einen unsachgemäßen Gebrauch des E-Bikes oder durch Verschleiß (BGH, Urteil vom 12.10.2016, VIII ZR 103/15).
Warten Sie daher nicht zu lange, um dem Verkäufer den Schaden an dem E-Bike zu melden. Lassen Sie ab Übergabe des E-Bikes mehr als ein Jahr ins Land ziehen, um dem Verkäufer auf den Mangel aufmerksam zu machen, müssen Sie den (schwer zu führenden) Nachweis erbringen, dass der Mangel bereits bei Gefahrübergang bestand.
Tun Sie sich selber den Gefallen und zeigen Sie den Mangel bereits beim ersten Auftreten schriftlich gegenüber dem Verkäufer an. Eine E-Mail ist ausreichend und erleichtert Ihnen die spätere Geltendmachung Ihrer Rechte.
Machen Sie gegenüber dem Verkäufer die Ihnen zustehenden Rechte zeitnah geltend. Welche Rechte dies sind, soll im folgenden Abschnitt beleuchtet werden.
Defekte Verschleißteile (wie Akku oder Kette)
Was ist mit Verschleißteilen? Gilt auch bei diesen die gesetzliche Gewährleistung? Um es kurz zu machen: Ja, auch für Akkus und andere Verschleißteile gelten die Regeln der Sachmangelhaftung. Voraussetzung ist freilich, dass der Defekt an dem Akku oder Verschleißteil einen Mangel darstellt und keinen bloßen Verschleiß.
Wie man dies unterscheiden kann und ob Sie als Kunde den Mangel am E-Bike beweisen müssen, erfahren Sie in unserem Fachbeitrag zum mangelhaften E-Scooter.
Käuferrechte bei mangelhaftem E-Bike
Haben Sie einen Mangel oder Defekt an dem von Ihnen erworbenen E-Bike feststellen müssen, dann sollten Sie die Ihnen zustehenden Rechte kennen. Die Gewährleistungsrechte beim E-Bike Kauf wurden zum 01.01.2022 umfassend reformiert.
Zustand | Erheblicher Mangel am E-Bike | Kleinerer Mangel am E-Bike | Arglistig verschwiegener Mangel | Mir gefällt mein E-Bike nicht |
Rechte | Nacherfüllung, Rücktritt | Nacherfüllung, Minderung oder Schadensersatz | Anfechtung | Widerruf |
Recht auf Nacherfüllung: Reparatur und Neulieferung
Zunächst steht Ihnen wegen des Mangels am Elektrofahrrad ein Anspruch auf Nacherfüllung gegen den Verkäufer zu, §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB. Demnach können Sie als Käufer zwischen der Nachbesserung und der Nachlieferung wählen. Das bedeutet, dass der Verkäufer das E-Bike entweder auf seine Kosten reparieren, oder Ihnen ein anderes E-Bike des gleichen Modells im vergleichbaren Zustand zur Verfügung stellen muss. Dabei hat der Verkäufer alle anfallenden Aufwendungen, inklusive Transport- und Montagekosten zu tragen. Um sich für die Geltendmachung etwaiger Folgeansprüche wie Rücktritt und Schadensersatz bestmöglich zu wappnen, setzen Sie dem Verkäufer schriftlich eine angemessene Frist zur Nacherfüllung. Üblich dürfte in den meisten Fällen eine Frist von 14 Tagen sein.
Holt der Verkäufer das E-Bike ab oder muss ich es an ihn zurücksenden?
Sie als Käufer haben dem Verkäufer gem. § 439 Abs. 5 BGB das mangelhafte E-Bike zum Zweck der Nacherfüllung zur Verfügung zu stellen. Das bedeutet, dass Sie (wenn Sie mit dem Verkäufer nichts anderweitiges vereinbart haben) gem. § 269 Abs. 1, Abs. 2 BGB verpflichtet sind, dem Verkäufer das E-Bike an seinen Wohnsitz (bzw. beim Händler an seinen Geschäftssitz) zu versenden.
Haben Sie das E-Bike als Verbraucher bei einem Händler gekauft, dann muss gilt nach § 475 Abs. 5 BGB, dass der Händler die Nacherfüllung dergestalt durchführen muss, dass die Nacherfüllung
- in angemessener Zeit (ab Benachrichtigung über den Mangel) erfolgt und
- ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für Sie als Verbraucher vollzogen wird. In diesem Zusammenhang muss die Frage aufgeworfen werden, ob Ihnen insoweit der Versand des defekten E-Bikes an den Verkäufer (zum Zwecke der Nacherfüllung) zugemutet werden darf.
Nach Ansicht des EuGH ist diese Frage von den Umständen des Einzelfalls abhängig (EuGH, Urteil vom 13.05.2019, C-52/18). Ich persönlich vertrete die Auffassung, dass das Gewicht und die Maße der meisten E-Bikes am Markt sowie deren Sperrigkeit, welche oftmals eine Demontage einzelner Komponenten erforderlich machen, einen Versandaufwand erfordern, der nicht mehr als unerheblich bezeichnet werden kann. Hinzu kommt, dass die E-Bikes mit empfindlichen elektronischen Komponenten bestückt sind, die bei falscher Belastung kaputt gehen können. Für zusätzliche Unannehmlichkeiten ist gesorgt, wenn Sie den Originalkarton des Pedelec bereits entsorgt haben und sich dann um einen für den Transportschutz tauglichen Ersatzkarton bemühen müssen. Wer die Versandbedingungen von DHL, Hermes, dpd, UPS und Co. und deren Bestimmungen über eine „sichere Verpackung“ der Versandgüter einmal studiert hat, dem dürfte schnell klar werden, dass kaum ein Versandkarton den Maßgaben an einen sicheren Versand gerecht wird.
Die Verpackung der Sendungen muss dem Inhalt entsprechen und so beschaffen sein, dass die Versandgegenstände vor Verlust und Beschädigung geschützt sind und keine anderen Sendungen beschädigt werden. Die Verpackung muss den Inhalt der Sendung gegen Belastungen, denen sie normalerweise während der Postbeförderung durch Druck, Stoß, Vibration und Temperatureinflüsse
Auszug aus den Versandbedingungen für nationale DHL Pakete
ausgesetzt ist, sicher schützen und hinreichend fest, druckstabil und ausreichend biegesteif sein. Wenn erforderlich, ist eine ausreichende Innenverpackung vorzusehen und durch Füllstoffe zu ergänzen. Die Innenverpackung muss die Inhaltsteile fixieren und transportempfindliche Inhalte allseitig polstern. Bei transportsensiblen Inhalten muss die Verpackung auf deren besondere Empfindlichkeit abgestellt sein und Eigenart, Menge sowie alle anderen Besonderheiten im Einzelfall berücksichtigen. […] Je schwerer eine Sendung ist, desto widerstandsfähiger muss der Verschluss ausgeführt werden.
Man darf nicht vergessen, dass bereits die Ausmaße des E-Bikes regelmäßig einen Speditionsversand erforderlich werden lassen, weil das maximale Gurtmaß für Sperrgüter bei den gängigen Transportdienstleistern auf 360 cm beschränkt ist. Insoweit dürfte nach meinem Rechtsempfinden der Händler in der Pflicht stehen, sich um den Rücktransport des E-Bikes zum Zwecke der Nacherfüllung bemühen zu müssen.
Kein Recht auf Selbstvornahme der Reparatur
Sie sind handwerklich begabt und fragen sich nun, ob Sie den Mangel am E-Bike nicht einfach selbst reparieren und sich die dabei entstehenden Kosten durch den Verkäufer erstatten lassen können? Mein anwaltlicher Rat: Verwerfen Sie diese Idee.
Grundsätzlich gilt der Vorrang der Nacherfüllung. Durch eine Selbstvornahme entfällt Ihr Anspruch auf Nacherfüllung, da nicht mehr eindeutig nachvollzogen werden kann, ob der Mangel am E-Bike bereits bei Gefahrübergang vorgelegen hat oder nicht. Auch die Erstattung der Aufwendungen, die durch die Mängelbeseitigung angefallenen sind, können Sie nicht von dem Verkäufer verlangen (BGH, Urteil vom 23.02.2005, VIII ZR 100/04). Sowohl der Gesetzeber als auch die Rechtsprechung haben entschieden, dass dem E-Bike Verkäufer eine zweite Chance zur Andienung gewährt werden soll (BGH, Urteil vom 21.12.2005, VIII ZR 49/05).
Rücktritt vom Kaufvertrag
Verweigert der Verkäufer beide Arten der Nacherfüllung oder ist ihm diese unzumutbar bzw. unmöglich, so können Sie als Käufer gem. §§ 437 Nr. 2, 440, 323 BGB von dem Vertrag zurücktreten oder allenfalls eine Minderung des Kaufpreises fordern. Hierbei muss allerdings beachtet werden, dass ein Rücktritt oder eine Minderung nur in Betracht kommt, sofern eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt wurde und diese bereits abgelaufen ist.
Außerdem erfordert der Rücktritt, dass der Mangel an dem E-Bike erheblich i.S.d. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB sein muss. Die Hürde ist dabei vergleichsweise niedrig angesetzt, sodass die meisten Mängel an einem E-Bike die Erheblichkeitsschwelle übersteigen. Diese Schwelle ist nämlich regelmäßig bereits dann überschritten, wenn die Kosten der Mangelbeseitigung fünf Prozent des Kaufpreises des E-Bikes übersteigen (BGH, Urteil vom 28.05.2014, VIII ZR 94/13). Lassen Sie sich nicht auf unnötige Diskussionen mit dem Verkäufer über die Erheblichkeit des Mangels ein. Das Heranziehen einer höheren Schwelle wird auch mit Blick auf die EU-Richtlinie zum Verbrauchsgüterkauf nur unter besonderen Umständen hinzunehmen sein.
Ein Rücktritt muss von Ihnen formlos dem Verkäufer gegenüber erklärt werden. Ich empfehle auch hier die schriftliche Rücktrittserklärung. Diese Erklärung ist verbindlich und führt zum Erlöschen des Kaufpreisminderungsrechts. Eine Begründung müssen Sie der Rücktrittserklärung zwar grundsätzlich nicht beifügen, diese ist aber durchaus ratsam. Sobald die Rücktrittserklärung bei dem Verkäufer eingegangen ist, kommt es zu einem Rückabwicklungsschuldverhältnis. Der Verkäufer ist Ihnen zur Kaufpreisrückerstattung Zug um Zug gegen Rückgabe des defekten E-Bikes verpflichtet. Zu beachten ist, dass die Forderungen innerhalb von 2 Jahren seit Ablieferung des E-Bikes geltend gemacht werden müssen. Ansonsten verjähren Ihre Gewährleistungsrechte gem. § 438 Abs. 1, Abs. 2 BGB (Ausnahme: der Verkäufer hat den Mangel am Pedelec arglistig verschwiegen, dann gilt nach Abs. 3 der Vorschrift die um 1 Jahr verlängerte Regelverjährungsfrist).
Download Musterschreiben Rücktrittserklärung
Minderung des Kaufpreises
Vielleicht haben Sie das E-Bike liebgewonnen und schließen eine Rückgabe für sich aus. Oder aber der Rücktritt vom Kaufvertrag bleibt Ihnen wegen der Unerheblichkeit des Mangels verwehrt. Dann könnte die Minderung des Kaufpreises gemäß § 441 BGB eine Alternative für Sie darstellen (diese untersteht keiner Erheblichkeitsschwelle). Unter der Minderung versteht man die Senkung des Kaufpreises und die Forderung auf Rückerstattung des überzahlten Kaufbetrages. Je nach Gewichtung der Mängel kann die Minderung mal höher und mal niedriger ausfallen.
Wie in § 441 Abs. 3 BGB festgelegt, mindert sich der Kaufpreis des E-Bikes im selben Umfang, in dem der Wert des unbeschädigten E-Bikes zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vom tatsächlichen Wert abgewichen wäre.
Hier ein Schaubild, anhand dessen Sie den den geminderten Kaufpreis bestimmen können:
Nehmen wir also beispielsweise einmal an, Sie haben das E-Bike für 3.500 Euro beim Verkäufer gekauft. Sie haben dabei ein Schnäppchen gemacht, weil der Wert eines unbeschädigten E-Bikes desselben Modells mit gleicher Ausstattung satte 5.000 Euro betragen hätte. In dem defekten Zustand ist das E-Bike aber tatsächlich aber nur schlappe 2.000 Euro wert.
Zur Berechnung des geminderten Kaufpreises wenden Sie nun oben dargestellte Formel an: 2.000 × 3.500 / 5.000, sodass der errechnete geminderte Kaufpreis demnach 1.400 Euro beträgt. In diesem Rechenbeispiel können Sie vom Verkäufer also eine Rückerstattung von stolzen 2.100 Euro verlangen. Dabei müssen Sie eigentlich gar keine aufwendigen Rechenexempel statuieren. Denn der Gesetzgeber erlaubt Ihnen als E-Bike Käufer ggf. auch eine bloße Schätzung des Minderungsbetrages vorzunehmen.
Schadensersatz statt Minderung
An dieser Stelle noch eine Anmerkung zur Kaufpreisminderung. Es gibt Fälle, in denen der Minderungsbetrag keine nennenswerte Höhe erreicht. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Kluft zwischen dem Wert des intakten E-Bikes und seinem tatsächlichen Wert gering ausfällt. In so einem Fall können und sollten Sie als E-Bike Käufer – anstatt der Kaufpreisminderung – einen Schadensersatz in Höhe des Ihnen durch den Mangel entstandenen Vermögensschadens fordern. Das geht selbst dann noch, wenn Sie ggü. den Verkäufer mit einer Forderung auf „Preisminderung“ konfrontiert haben (soweit dieser die Forderung noch nicht beglichen hat, stellen Sie ggü. dem Verkäufer einfach klar, dass Sie nunmehr anstelle des Minderungsbegehrens einen Anspruch auf Schadensersatz geltend machen).
Anspruchsgrundlagen bilden sodann die §§ 437 Nr. 3, 280 ff. BGB. Zu den anerkannten Schadensersatzpositionen zählen etwa entstandene Fahrt- und Transportkosten. Denkbar ist auch die Geltendmachung einer Nutzungsausfallentschädigung, wenn das E-Bike nachweislich als tagtägliches Fortbewegungsmittel genutzt wird (etwa um zur Arbeit zu fahren) (AG Cloppenburg, Urteil vom 30.08.2019, 21 C 444/19). Wichtig ist, dass Sie für sich klären sollten, ob Sie das E-Bike (trotz seines mangels) behalten wollen und Schadensersatz fordern (§ 280 Abs. 1 BGB) oder ob Sie das E-Bike gegen Erstattung des Kaufpreises zurückgeben und
Für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs (welcher Art auch immer) muss der Verkäufer seine Pflichtverletzung auch zu vertreten haben, wobei hier Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten sind, § 276 Abs. 1 BGB.
Anfechtung bei arglistig verschwiegenem Mangel
Hat Ihnen der Verkäufer vorsätzlich den Mangel an dem E-Bike verschwiegen, so können Sie Ihre Erklärung zum Vertragsschluss aufgrund der arglistiger Täuschung anfechten. Für die Anfechtung haben Sie gem. § 124 Abs. 2 BGB ein Jahr Zeit. Die Frist zur Anfechtung beginnt mit Ihrer Kenntnisnahme von der Täuschung des Verkäufers. Auch ein bewusstes „Herunterspielen“ oder das Bagatellisieren von Mängeln kann eine arglistige Täuschung des Verkäufers über den tatsächlichen zustand des E-Bikes darstellen.
Besondere Pflichten treffen E-Bike Händler, die gebrauchte Pedelecs veräußern. Haben Sie Ihr gebrauchtes E-Bike bei einem Händler gekauft, so dürfen Sie darauf vertrauen, dass der Verkäufer das Elektrofahrrad einer gründlichen Sichtprüfung sowie einer entsprechenden Funktionsprüfung unterzogen hat und Ihnen alle von ihm erkannten Mängel preisgibt (OLG Oldenburg, Urteil vom 18.11.2014, 11 U 86/13).
Soweit Sie vom Verkäufer des E-Bikes arglistig über den Zustand des Rades getäuscht worden sein sollten, fechten Sie unbedingt und schnellstmöglich Ihre Erklärung zum Kauf des Pedelec an. Das nachstehende kostenfreie Musterschreiben zur Anfechtung haben wir Ihnen bereitgestellt, damit bei der Anfechtung nichts schiefgehen kann.
Download Musterschreiben zur Anfechtung
Widerruf beim Onlinekauf
Haben Sie Ihr E-Bike als Verbraucher über einen Onlinehändler erworben, so steht Ihnen das gesetzliche Widerrufsrecht gem. §§ 312g Abs. 1, 355 BGB zu. Die Widerrufsfrist beginnt in diesem Fall gem. § 356 Abs. 2 Nr. 1 lit. a BGB zu laufen, sobald Sie die Ware erhalten haben und sie beträgt 14 Tage.
Die Widerrufsfrist beginnt allerdings nicht, bevor der E-Bike Händler Sie nicht entsprechend den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB bzw. des Art. 246b § 2 Abs. 1 EGBGB über Ihr Widerrufsrecht unterrichtet hat. Es genügt ein Fehler in der Widerrufsbelehrung oder deren Übermittlung, und die Widerrufsfrist erstreckt sich auf die Höchstdauer von einem Jahr und 14 Tagen, § 356 Abs. 3 S. 2 BGB.
Haben Sie fristgerecht von Ihrem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht, so bekommen Sie den Kaufpreis gegen Rückgabe des E-Bikes vom Händler erstattet. Um sich auf das gesetzliche Widerrufsrecht bei Onlinekäufen beziehen zu können, ist ein Sachmangel nicht zwingend notwendig. Vielmehr können Sie den Widerruf ohne die Angabe von Gründen erklären.
(Hersteller-) Garantie
Gegebenenfalls können Sie sich bei Mängelerscheinungen Ihres E-Bikes neben den Gewährleistungsrechten auf eine Garantie berufen. Die Garantie ist eine freiwillige Zusatzleistung und kann entweder von dem Händler selbst (das ist in der Praxis eher selten der Fall) oder von dem E-Bike Hersteller übernommen werden. Der Inhalt wird durch eine vertragliche Vereinbarung bestimmt und muss im Falle des Verbrauchervertrags bei Vereinbarung einer Haltbarkeitsgarantie nach § 479 Abs. 3 BGB mindestens den Umfang des gesetzlich geregelten Nacherfüllungsanspruchs haben.
In den meisten Fällen legt der Hersteller eine sogenannte Herstellergarantie fest, welche durch den Händler, zum Beispiel in Form einer Garantiekarte, an den Käufer weitergegeben wird. Zum Teil kann der Händler auch stellvertretend für den Hersteller auftreten. In jedem Fall sind die Garantie-Bedingungen zwingende Voraussetzungen, damit ein Garantiefall eintritt. Oftmals wird eine Registrierung des E-Bikes beim Hersteller binnen einer bestimmten Frist (ab dem Ersterwerbsdatum) gefordert. Wir kennen aber Kulanzregelungen, in denen der eine oder andere Hersteller auch nach Fristablauf noch eine „Nachregistrierung“ des E-Bikes und damit die Inanspruchnahme der Garantie ermöglicht hat.
Vorgehen bei einem Produktfehler
Wird durch einen Produktfehler an dem E-Bike eines Ihrer Rechtsgüter verletzt durch Tötung, Körper- oder Gesundheitsverletzung oder Beschädigung einer Sache, so können Sie sich auf die sogenannte Produkthaftung berufen. Gem. § 1 Abs. 1 ProdHaftG ist jeder E-Bike Hersteller verpflichtet, Ihnen als Geschädigtem den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Voraussetzung ist, dass das E-Bike fehlerhaft im Sinne von §§ 2, 3 ProdHaftG ist. Das ist der Fall, wenn das E-Bike nicht die nötige Sicherheit aufweist, welche unter Berücksichtigung aller Umstände nach der herrschenden Verkehrsauffassung erforderlich gewesen wäre (EuGH, Urteil vom 05.03.2015, C-503/13, C-504/13). Insoweit sei hier auf die eingangs dargestellten Qualitätsstandards bei E-Bikes verwiesen.
Der Gesetzgeber hat in § 3 Abs. 1 ProdHaftG die Mindestmaßstäbe festgelegt, welche bei der Beurteilung der Sicherheit eines E-Bikes berücksichtigt werden müssen. So hat der E-Bike Hersteller zu gewährleisten, dass sein Pedelec unter Berücksichtigung aller Umstände die Sicherheit bietet, die man von dem E-Bike berechtigterweise erwarten darf. Dabei erwartet der Gesetzgeber vom Hersteller, dass dieser insbesondere die Umstände der typischen Gebrauchsbelastung in die Sicherheitserwägungen hat einfließen lassen.
Haftungsfreistellung, Beweislast und Selbstbehalt bei Produktfehlern
Die Produkthaftung des Herstellers unterliegt weitreichenden Haftungsfreistellungen. So besteht etwa keine Ersatzpflicht des Herstellers, soweit der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik in dem Zeitpunkt, in dem der Hersteller das E-Bike in den Verkehr brachte, nicht erkannt werden konnte.
Bei der Beschädigung einer anderen Sache (durch einen E-Bike Produktfehler) haben Sie als Geschädigter gem. § 11 ProdHaftG eine Selbstbeteiligung in Höhe von 500 Euro zu tragen.
In der Praxis scheitert die Durchsetzung von Produkthaftungsansprüchen nicht selten an der – dem Geschädigten (nach § 1 Abs. 4 ProdHaftG) obliegenden – Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen Fehler und Schaden.
Rechtslage beim Kauf eines gebrauchten E-Bikes
Bei dem Kauf eines gebrauchten E-Bikes muss zunächst zwischen dem Kauf von einer privaten Person und einem Händler unterschieden werden.
Haben Sie Ihr gebrauchtes E-Bike bei einer Privatperson gekauft, kann es sein, dass vertraglich ein Ausschluss der Gewährleistungsrechte vereinbart wurde. Ein wirksamer Gewährleistungsausschluss lautet etwa wie folgt:
Das E-Bike stammt aus meinem Privatbesitz und wird unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung verkauft. Der Ausschluss gilt nicht für Schadenersatzansprüche aus grob fahrlässiger bzw. vorsätzlicher Verletzung von Pflichten sowie für jede Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit.
Beispielhafter Auszug aus einem wirksamen Gewährleitungsausschluss
Wer als privater E-Bike Verkäufer regelmäßig Waren im Internet veräußert und dabei fortwährend denselben Gewährleistungsausschluss nutzt, der hat seine Klausel (über den Ausschluss der Sachmängelhaftung) an den Wirksamkeitsvoraussetzungen für AGB (§§ 305 ff. BGB) auszurichten. Auf seinen Gewährleistungsausschluss kann sich ein Privatverkäufer nicht berufen, wenn seine Klausel die AGB Wirksamkeitsvoraussetzungen nicht erfüllt. Missachtet der Privatverkäufer etwa die Bestimmung aus § 309 Nr. 7 a) BGB (nach der Ansprüche des Käufers aufgrund von Schäden an Körper und Gesundheit durch AGB nicht begrenzt werden können, wenn dem Privatverkäufer dabei ein Verschulden zur Last gelegt werden kann) oder aber die Regelung aus § 309 Nr. 7 b) BGB (wonach Ansprüche für sonstige Schäden durch AGB nicht ausgeschlossen werden können, soweit dem Privatverkäufer ein grobes Verschulden angelastet werden kann), so ist sein Gewährleistungsausschluss unwirksam.
Bei dem Kauf bei einem Händler ändert sich im Vergleich zum Neukauf erstmal nichts. Allerdings kann der Verkäufer vertraglich eine Verkürzung der Verjährungsfrist der Gewährleistungsrechte auf ein Jahr vereinbaren. Damit diese Vereinbarung wirksam ist, müssen Sie allerdings zum einen vor dem Vertragsschluss über die Verkürzung in Kenntnis gesetzt worden sein und zum anderen muss die Verkürzung im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart worden sein, § 476 Abs. 2 S. 2 BGB.