Raus aus dem Kreditvertrag – Verbraucherdarlehen widerrufen Bankrecht

Raus aus dem Kreditvertrag – Verbraucherdarlehen widerrufen

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Haben Sie als Verbraucher nach dem 11.06.2010 mit Ihrer Bank, Volksbank oder Sparkasse einen Kreditvertrag abgeschlossen? Dann können Sie Ihre im Rahmen dieses Vertragsschlusses abgegebene Willenserklärung nun widerrufen und den Kreditvertrag auf diesem Weg vollständig rückabwickeln – egal ob Immobilienkredit, Autokredit oder Kredit für Möbel, Küchen oder Technikgeräte.

Widerruf beim Verbraucherkredit

Besonders für ältere Verträge kann sich durch eine mögliche Umschuldung enormes Sparpotential für Sie ergeben und die Zinslast erheblich gesenkt werden. Möglich macht dies der sogenannte Widerrufsjoker, den ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs den Verbrauchern gewährt. Schuld daran sind die überregional verwendeten Vertragsformulare der Kreditgeber, in denen Kreditnehmer nicht ordnungsgemäß über das Ihnen zustehende Widerrufsrecht belehrt worden sind. Doch welche Formulierungen in der Widerrufsbelehrung sind überhaupt fehlerhaft? Und was müssen Sie beachten, um Ihren Widerruf form- und fristgerecht zu erklären? Inwieweit widerspricht das Urteil der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs und wann greift nach dem BGH das Widerrufsrecht beim Verbraucherkreditvertrag nicht?

Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs zum Widerruf des Privatkredits

Ein Verbraucher nahm 2012 bei der Kreissparkasse Saarlouis einen grundpfandrechtlich gesicherten Kredit über 100.000 Euro mit einem gebundenen Sollzinssatz von 3,61% pro Jahr auf. Das Ziel des Verbrauchers war es, diese hohe Zinslast auf das aktuell marktübliche Niveau zu drücken. Um dieses Ziel auch zu erreichen, hat der Verbraucher den Widerruf erklärt und ist vor Gericht gezogen.

Der Kreditvertrag des Verbrauchers sah vor, dass er als Kreditnehmer seine im Rahmen des Vertragsschlusses abgegebene Willenserklärung innerhalb von 14 Tagen widerrufen könne. Diese Frist sollte nach Abschluss des Vertrages zu laufen beginnen, jedoch erst, wenn der Kreditnehmer alle Pflichtangaben erhalten hat, die eine bestimmte Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuches vorsieht. Diese für den Beginn der Widerrufsfrist entscheidenden Angaben führte der Vertrag allerdings nicht selber auf. Vielmehr verwies das Vertragswerk lediglich auf eine deutsche Gesetzesnorm, die ihrerseits auf weitere Vorschriften des deutschen Rechts verweist. In Rechtskreisen spricht man dabei von einer sogenannten Kaskadenverweisung

Besonders heikel ist das Urteil des EuGH, da das Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB a. F. genau diesen Verweis auf § 492 Abs. 2 BGB enthielt und dies aus Sicht des EuGH nicht ausreichend ist, um den Verbraucher in klarer, prägnanter Form über die Frist und die anderen Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts zu informieren.

Was hat der Europäische Gerichtshof entschieden?

Das zuständige Landgericht Saarbrücken legte den Fall dem Europäischen Gerichtshof vor. Und dieser entschied zugunsten der Verbraucher und widersprach damit dem Bundesgerichtshof, der mehrfach entschieden hatte, dass solche Widerrufsinformationen mit Verweisen auf verschiedene Gesetze verständlich und klar seien (BGH, Urteil vom 19.03.2019, XI ZR 44/18).

Nach Ansicht der Richter beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg genügt die im Vertragswerk vorkommende Kaskadenverweisung nicht den Anforderungen des Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48, in dem es heißt:

Im Kreditvertrag ist in klarer, prägnanter Form Folgendes anzugeben: […] das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts sowie die Frist und die […] anderen Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts

Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates

Die Information über das Widerrufsrecht ist für den Verbraucher von grundlegender Bedeutung. Um von dieser Information vollumfänglich profitieren zu können, muss der Verbraucher im Vorhinein die Bedingungen, Fristen und Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts kennen (EuGH, Urteil vom 06.03.2020, C-66/19). Zumal die Erteilung der Pflichtangaben aus Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 für den Beginn der Frist für den Widerrufs des Kreditvertrages maßgeblich ist, was Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/48 bestimmt:

Der Verbraucher kann innerhalb von vierzehn Kalendertagen ohne Angabe von Gründen den Kreditvertrag widerrufen.

Diese Widerrufsfrist beginnt

a) entweder am Tag des Abschlusses des Kreditvertrags oder

b) an dem Tag, an dem der Verbraucher die Vertragsbedingungen und die Informationen gemäß Artikel 10 erhält, sofern dieser nach dem in Buchstabe a des vorliegenden Unterabsatzes genannten Darum liegt.

Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates

Da diese Informationen als solche nicht im Vertrag enthalten sind, muss sich der Verbraucher, um diese herauszufinden, mit einer Vielzahl nationaler Bestimmungen beschäftigen, die in verschiedenen Gesetzeswerken enthalten sind. Das ist dem Verbraucher nicht zumutbar.

Daraus resultierend hat der Verbraucher die „Informationen gemäß Artikel 10“ bis zum heutigen Tage nicht erhalten, sodass auch die Frist für den Widerruf nach Maßgabe des Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/48 noch nicht zu laufen begonnen hat. Und eine Frist, die überhaupt noch nicht begonnen hat, kann selbstverständlich auch noch nicht abgelaufen sein, weshalb dem Verbraucher das Recht zum Widerruf auch nach all den Jahren immer noch zusteht.

Welche Formulierungen sind von dieser Rechtsprechung betroffen?

Können auch Sie Ihren Verbraucherdarlehensvertrag auf Grundlage dieser EuGH-Entscheidung nun widerrufen? Um dies herauszufinden, müssen Sie lediglich in Ihren Vertragstext schauen. Was Sie suchen müssen, ist eine der folgenden entsprechende oder zumindest ähnliche Formulierung:

Der Darlehensnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrages, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z.B. Angaben zur Art des Darlehens, Angaben zum Nettodarlehensbetrag, Angaben zur Vertragslaufzeit) erhalten hat.

Beispiel einer unwirksamen Widerrufsbelehrung

Bei dem markierten Satzteil, der auf § 492 Abs. 2 BGB verweist, handelt es sich um die hier streitentscheidende Kaskadenverweisung. Denn die genannte Vorschrift selber enthält noch nicht die Pflichtangaben, sondern verweist Sie als Verbraucher lediglich weiter:

Der Vertrag muss die für den Verbraucherdarlehensvertrag vorgeschriebenen Angaben nach Artikel 247 §§ 6 bis 13 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch enthalten.

Jeder Vertrag, der Sie als Verbraucher lediglich von einer Vorschrift zur nächsten „schickt“, ist fehlerhaft. Stattdessen müssten die Pflichtangaben, deren Erteilung gemäß Art. 10 Abs. 2 Buchst. p und Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/48 für den Beginn der Frist für den Widerruf des Vertrages maßgeblich ist, als solche im Vertrag enthalten sein.

Korrekte Verbraucherinformationen diesbezüglich sind jedoch sehr selten. Textpassagen wie die oben aufgeführte finden sich in fast allen Verbraucherdarlehensverträgen, die ab dem 11.06.2010 geschlossen wurden. Zurückzuführen ist dies darauf, dass insbesondere Sparkassen größtenteils überregional ein gemeinsames Widerrufsformular benutzen. Und auch Banken orientierten sich zumindest bis zum 20.03.2016 oftmals an einem gesetzlichen Muster, das der Europäische Gerichtshof nun „einkassierte“.

Nur Kreditverträge betroffen, die nach dem 11.06.2010 geschlossen wurden

Doch warum betrifft diese Rechtsprechung nur Kreditverträge, die nach dem 11.06.2010 abgeschlossen wurden? Art. 229 § 38 EGBGB bestimmt, dass Sie Verträge, die zwischen dem 01.09.2002 und dem 10.06.2010 abgeschlossen wurden, nicht mehr widerrufen können – auch nicht, wenn die Belehrung fehlerhaft war.

Der Bundesgerichtshof widerspricht der Auffassung des EuGH und schränkt das Widerrufsrecht ein

Der Bundesgerichtshof hat sich in gleich mehreren Entscheidungen mit den vom EuGH aufgestellten Grundsätzen auseinandergesetzt und sich gegen die Ansichten aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 26. März 2020 gestellt.

So zieht der BGH die Übertragbarkeit der Entscheidung des EugH auf einen grundpfandrechtlich besicherten Immobiliardarlehensvertrag in Zweifel (BGH, Beschluss vom 31.03.2020, XI ZR 581/18). Der Senat begründet dies damit, dass die Verbraucherkreditrichtlinie (auf die sich der EuGH stützt) gem. Art. 2 Abs. 2 a und c keine Anwendung auf diese Verträge finde (BGH, Beschluss vom 19.03.2019, XI ZR 44/18).

Im Gegensatz zum EuGH erachtet es der BGH als ausreichend, wenn der Darlehensgeber bei einem Immobiliendarlehensvertrag in der Widerrufsbelehrung auf die Vorschrift des § 492 Abs. 2 BGB verweist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Darlehensgeber dem Verbraucher zusätzlich eine beispielhafte Aufzählung der Pflichtangaben nach den Maßstäben des nationalen Rechts (Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB) liefert, so wie es das gesetzliche Muster vorsah.

Dieselbe Ansicht vertritt der BGH auch bei einer Widerrufsbelehrung die im Zusammenhang mit einem Autoratenkredit getroffen wurde (BGH, Beschluss vom 31.03.2020, XI ZR 198/19).

Der BGH stellt klar, dass ein Kreditgeber, der sich bei solchen Kreditverträgen an dem gesetzlichen Muster aus Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB a. F. orientiere, dem Willen des deutschen Gesetzgebers hinreichend entsprochen habe.

Insoweit existieren hier zwei grundlegend unterschiedliche Rechtsansichten. Ein Umstand, der eine erhebliche Rechtsunsicherheit schafft.

Wie sollte Ihr Widerruf aussehen?

Enthält auch Ihr Kreditvertrag diese Formulierung, steht Ihnen das Recht zum Widerruf Ihrer Willenserklärung selbstverständlich ebenfalls zu.

Sinnvoll ist der Widerruf des Darlehensvertrages allerdings nur, wenn Sie vor dem Widerruf Ihres laufenden (teuren) Privatkredits zuvor eine rechtsverbindliche schriftliche Zusage einer anderen Bank für einen neuen (günstigen) Kredit zur Umschuldung erhalten haben.

Damit Ihnen bei der Ausübung des Widerrufsrechts nun keine Fehler unterlaufen, nutzen Sie gerne unser Musterschreiben, das wir Ihnen kostenfrei zur Verfügung stellen.

Musterschreiben für den Widerruf Ihres Kredits

Absender (Ihr Name als Kreditnehmers, Adresse):


An (Kreditnehmer: Bank, Volksbank oder Sparkasse)
(Adresse)
(ggf. Faxnummer oder E-Mail-Adresse)


Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit widerrufe ich meine auf den Abschluss des am geschlossenen Kreditvertrages (Kreditvertrag-Nr. …) gerichtete Willenserklärung.
Eine rechtliche Überprüfung des Kreditvertrages hat ergeben, dass ich seinerzeit nicht ordnungsgemäß über mein Widerrufsrecht belehrt worden bin. Die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Verbraucherinformation sind Ihrerseits nicht erfüllt worden.

Dementsprechend fordere ich Sie nun auf, den Kreditvertrag vollumfänglich rückabzuwickeln. Ich bitte Sie, die von mir geleisteten Tilgungszahlungen in Höhe von […] EUR innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt dieses Schreibens, also bis zum [Datum], auf folgendes Bankkonto zu überweisen:

Name des Kontoinhabers:
IBAN:
BIC:

Im Gegenzug werde ich die an mich ausgezahlte Darlehenssumme in Höhe von […] EUR innerhalb von 30 Tagen beginnend mit diesem Widerruf zurückerstatten.

Mit freundlichen Grüßen
(Datum)
(Unterschrift)

Frist für den Widerruf des Verbraucherdarlehens

Nach dem bereits beschriebenen gesetzlichen Mechanismus beginnt die Widerrufsfrist also nicht zu laufen, wenn Sie über deren Beginn nicht hinreichend belehrt wurden. Das Recht zum Widerruf unterliegt daher praktisch keiner Verjährung.

Allerdings wenden die Kreditinstitute unserer Erfahrung nach häufig ein, die Geltendmachung sei verwirkt. Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung meint den Ausschluss der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten. Dies setzt einen Zeit- und einen Umstandsmoment voraus:

  • Ein Recht ist grundsätzlich verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt (BGH, Urteil vom 28.03.2006, XI ZR 425/04). Jedoch haben die meisten Gerichte selbst einen Zeitraum von 10 Jahren seit Abschluss des Kreditvertrages für die Ausfüllung des Zeitmoments nicht unbedingt als ausreichend erachtet.
  • Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Allein aufgrund eines laufend vertragstreuen Verhaltens des Verbrauchers kann der Unternehmer ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, der Verbraucher werde seine auf Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht widerrufen, allerdings nicht bilden (BGH, Urteil vom 12.07.2016, XI ZR 564/15). Nur weil Sie unter Umständen jahrelang Tilgungszahlungen vorgenommen haben, kann sich Ihr Kreditinstitut also noch nicht auf Verwirkung berufen.

Rechtsfolge des Widerrufs des Kreditvertrages

Ihr Widerruf wandelt den abgeschlossenen Kreditvertrag zwischen Ihnen und Ihrem Kreditinstitut in ein sogenanntes Rückabwicklungsverhältnis um. Es werden also alle Zahlungen aus dem Kreditvertrag vollständig rückabgewickelt (BGH, Beschluss vom 22.09.2015, XI 116/15).

  • Sie als Kreditnehmer müssen der Bank, Volksbank oder Sparkasse innerhalb von 30 Tagen ab Widerruf die ausgeschüttete Darlehenssumme und einen Nutzungsersatz zurückzahlen. Die Ablöse gegen ein günstiges Darlehen bietet sich an.
  • Und Ihr Kreditinstitut auf der anderen Seite muss Ihnen alle von Ihnen geleisteten Tilgungen und Zinsen samt den daraus angenommenen Gewinnen erstatten.
  • Eine Vorfälligkeitsentschädigung darf die Bank nicht verlangen.

In der Praxis lassen sich diese gegenseitigen Forderungen dann verrechnen. Sie müssen also in der Regel nicht die gesamte Darlehenssumme aufbringen, sondern bloß einen Restbetrag. Außerdem sind die Zinsen auf Ihre gezahlten Raten regelmäßig höher als der Nutzungsersatz an die Bank, sodass dieser Restbetrag geringer ist als Ihre Restschuld.

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