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Haben Sie im Internet oder per Telefon ein Gebrauchtfahrzeug oder einen Neuwagen gekauft und anschließend fristgerecht den Widerruf erklärt? Dann warten Sie nun sicherlich im Gegenzug zur von Ihnen bereits in die Wege geleiteten Rückgabe des Fahrzeugs auf die Rückerstattung des von Ihnen ursprünglich gezahlten Kaufpreises durch Ihren Händler. Doch was, wenn der Autohändler plötzlich Wertersatz für die Nutzung des Autos in der Zeit zwischen Vertragsabschluss und Rückgabe verlangt und Ihnen nur einen verminderten Kaufpreis rückerstatten möchte? Ob dem Autohändler ein solches Recht überhaupt zusteht, wofür Sie konkret Abzüge befürchten müssen und was Sie tun können, wenn der Händler eine zu hohe Summe einbehalten möchte, erklärt unser Beitrag.
Rechtsfolgen des Widerrufs beim Autokauf im Fernabsatz
Das Widerrufsrecht beim Fernabsatzgeschäft bezweckt Ihren Schutz als Verbraucher – und zwar vor vertraglichen Bindungen, die Sie eventuell übereilt und ohne Abwägung der für- und widersprechenden Gesichtspunkte, vor allem ohne den notwendigen Überblick über die Konsequenzen des Vertrages zu haben, eingegangen sind. Es gibt Ihnen die Möglichkeit, sich von Ihrer auf den Abschluss des Verbrauchervertrages gerichteten Willenserklärung zu lösen. Damit erlöschen die gegenseitigen Erfüllungspflichten und der durch den Widerruf unwirksam gewordene Verbrauchervertrag wandelt sich in ein Abwicklungsverhältnis um. Man spricht dabei auch von einem Rückgewährschuldverhältnis.
Diesen Namen verdankt das durch den Widerruf entstehende Schuldverhältnis den beiderseitigen Ansprüchen, die Sie als Verbraucher und Ihr Verkäufer als Unternehmer nun haben. Sie beide können nach Maßgabe der §§ 355 Abs. 3 Satz 1, 357 Abs. 1 BGB vom jeweils anderen die Rückgewähr der empfangenen Leistungen verlangen.
- Sie haben gegen Ihren Autohändler nun also einen Anspruch auf Rückgewähr des bereits gezahlten Kaufpreises.
- Ihr Autohändler hat im Gegenzug einen Anspruch gegen Sie auf Rückgewähr des an Sie übergebenen und übereigneten Fahrzeuges.
Doch beim Online-Kauf eines Autos sind weitere Posten streitig, auf die nachfolgend eingegangen werden soll. Denn jede Zulassung auf einen anderen Halter und jede Nutzung des Autos senkt dessen Wiederverkaufswert. Aber zurück zu den Primärpflichten bei der Rückgewähr der jeweils empfangenen Leistungen. Auch bei der Rückgewähr können Kostenpositionen entstehen. Hier zu nennen die Kosten des Rücktransports des Autos.
Die Kosten der Rücksendung bzw. des Rücktransports des Autos haben gemäß § 357 Abs. 6 BGB übrigens Sie als Autokäufer zu tragen. Voraussetzung dafür ist, dass der Händler Sie über diese Pflicht zur Kostentragung im Vorfeld ordnungsgemäß informiert und sich nicht selbst zur Tragung der Kosten bereiterklärt hat.
Anspruch des Autohändlers auf Wertersatz
Doch dies sind leider nicht die einzigen Unkosten, die nun auf Sie zukommen könnten. Schließlich haben Sie nach dem Wortlaut des § 357 Abs. 7 BGB Wertersatz für einen Wertverlust der Ware zu leisten, wenn
- der Wertverlust auf einen Umgang mit der Ware zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Ware nicht notwendig war, und
- der Unternehmer Sie als Verbraucher entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen über ihr Widerrufsrecht unterrichtet hat.
Diese sich zu Ihren Lasten auswirkende Haftungserschwerung ist in dem Umstand begründet, dass Ihr Widerrufsrecht nicht etwa von einer Vertragsverletzung des Unternehmers abhängig ist, sondern kraft gesetzlicher Anordnung in jedem Fall besteht. Der Unternehmer kann dementsprechend gar nicht vermeiden, Ihnen nach fristgerecht erklärtem Widerruf die Sache in einem eventuell gebrauchten Zustand wieder abnehmen zu müssen, obwohl er sie vertragsgemäß geliefert hatte. Zumal der Wertverlust der Sache aufgrund des Umstandes, dass diese nunmehr eben nicht mehr neu, sondern gebraucht ist, im konkreten Einzelfall schon erheblich sein. Damit Sie als Verbraucher hingegen das Haftungsrisiko nicht unvorbereitet trifft, setzt die Wertersatzpflicht wie gesehen voraus, dass der Unternehmer Sie ordnungsgemäß belehrt hat.
Welche Positionen für den Autokäufer abzugsfähig sind
Sicherlich fragen Sie sich nun, was vom oben unter Nummer 1 aufgeführten Tatbestandsmerkmal der Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und der Funktionsweise umfasst ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei dieser Beurteilung zunächst darauf abzustellen, wie ein durchschnittlicher Verbraucher beim Testen und Ausprobieren der gleichen Ware in einem Ladengeschäft im stationären Handel typischerweise hätte verfahren können. Der Verbraucher soll mit der Ware grundsätzlich so umgehen und sie so ausprobieren dürfen, wie er dies auch in einem Ladengeschäft hätte tun dürfen (BGH, Urteil vom 12.10.2016, VIII ZR 55/15).
Was heißt dies nun bezogen auf Ihren Autokauf?
- Im stationären Handel könnte man Ihnen als potentiellen Kunden eine Probefahrt mit einem sogenannten roten Händlerkennzeichen oder auf einem nicht-öffentlichen Gelände ermöglichen. Demzufolge darf Ihnen der Wertverlust, der am Fahrzeug dadurch entsteht, dass Sie sich in das Auto setzen, alle Instrumente und Knöpfe ausprobieren und mit dem Auto eine kurze Strecke auf nichtöffentlicher Verkehrsfläche zurücklegen, nicht auferlegt werden. Das hätten Sie nämlich beim Autokauf vor Ort auch gedurft.
- Anders verhält es sich dagegen mit der durch die Erstzulassung des gekauften Fahrzeugs entstehenden Wertminderung. Neue Kraftfahrzeuge erleiden alleine durch die Erstzulassung einen Wertverlust von etwa 20%, den Sie im Falle eines Widerrufs tragen müssten. Schließlich wird eine Zulassung des Fahrzeugs mit anschließendem Gebrauch einem Kaufinteressenten vor Vertragsschluss auch im stationären Handel selbstverständlich nicht ermöglicht. Sie ist als solche weder erforderlich noch zielführend für eine Prüfung des Fahrzeugs und geht damit über die Ihnen als Käufer gemäß § 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB gestattete Prüfung hinaus (LG Köln, Urteil vom 10.10.2017, 21 O 23/17; LG Berlin, Urteil vom 05.12.2017, 4 O 150/16; LG Heidelberg, Urteil vom 09.01.2019, 1 S 34/18).
Darüber hinaus haften Sie verschuldensunabhängig für die in der Zeit zwischen Auslieferung des Fahrzeugs und der nach dem Widerruf erfolgten Rückgabe entstandenen Gebrauchs- und Verschleißspuren. Ist es also beispielsweise im Rahmen der von Ihnen vorgenommenen kleinen Testfahrt auf Privatgelände zu einem Schaden am Auto gekommen, haften Sie dafür – und zwar unabhängig davon, ob Sie überhaupt schuld sind am Schadenseintritt oder nicht.
Die Beweispflicht für die Umstände, die den Wertersatzanspruch begründen, trägt jedoch immer der Unternehmer, also der Autoverkäufer. Er muss also beweisen, dass die festgestellte Wertminderung gerade auf eine über die notwendige Prüfung hinausgehende Benutzung der Sache durch Sie zurückzuführen ist.
Wie berechnen sich diese Abzüge beim Autokauf genau?
Auf eine genaue Formel zur Berechnung der dem Unternehmer zustehenden Abzüge konnte sich die Rechtsprechung bislang nicht festlegen. Vielmehr ist bereits heftig umstritten, ob der zwischen den Parteien vereinbarte Kaufpreis oder der objektive Marktwert der Kaufsache die Grundlage der Berechnung bilden soll. Für die Abrechnung auf Marktwertbasis sprach lange Zeit eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Wertersatz bei sogenannten Haustürgeschäften, für die ebenso wie für die hier relevanten Fernabsatzgeschäfte das Widerrufsrecht besteht. Der Bundesgerichtshof argumentierte damit, dass eine Berechnung des Wertersatzes auf Grundlage des vereinbarten Kaufpreises für den Verbraucher deshalb unzumutbar sei, weil der Unternehmer den Vertragsabschluss ja gerade in Ausnutzung des Überrumpelungsmoments an der Haustür des Verbrauchers herbeigeführt habe und insoweit eine (zu) hohe Gegenleistung habe durchsetzen können. Die Überschüsse dieses Überraschungsmoments dürften ihm nun aber im Wege des Widerrufs, der gerade den Verbraucher schützen soll, nicht zum Vorteil gereichen (BGH, Urteil vom 15.04.2010, III ZR 218/09). Später betonte der Bundesgerichtshof jedoch in einer anderen Entscheidung, dass sich diese Argumentation nicht auf den Widerruf eines Fernabsatzvertrages übertragen lasse, da es dabei an der für die Begründung des vorherigen Urteils zentralen Überrumpelungsgefahr fehle (BGH, Urteil vom 12.10.2016, VIII ZR 55/15). Mithin präferiert die höchstrichterliche Rechtsprechung den Kaufpreis als Berechnungsgrundlage.
Daraus resultierend ist die Differenz zwischen dem ursprünglich vereinbarten Kaufpreis und dem nun nach dem Widerruf festzustellenden Marktwert des Fahrzeugs der Ihrem Händler zustehende Betrag. Der sichere und mathematisch genaue Weg zur Berechnung dieser Differenz ist die Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen zur Beurteilung des aktuellen Fahrzeugwerts. Hat der Händler in Ihrem Fall eine solche Prüfung bereits veranlasst, können Sie dem Händler – falls noch nicht geschehen – mitteilen, dass Sie Zweifel an der notwendigen Objektivität des Sachverständigen haben, weil dieser ja vom Autohaus selbst bestellt wird. Als Kunde können Sie in die Korrespondenz mit dem Händler dann unter Verweis auf Kulanz den Wunsch einbringen, dass ein freier Sachverständiger Ihrer Wahl das Gutachten erstellen mag. Nachteil dieses Vorgehens ist jedoch, dass Sie anschließend aller Wahrscheinlichkeit nach die Kosten des Sachverständigen zu tragen hätten, die sich je nach Umfang des Gutachtens auf bis zu 2.500 Euro belaufen können. Alternativ können Sie gegenüber dem Händler lediglich Ihre Skepsis hinsichtlich der Unvoreingenommenheit des von diesem bereits beauftragten Sachverständigen äußern und sich gleichzeitig vorbehalten, das Gutachten des Autohauses nachträglich prüfen zu lassen. Verlangen Sie außerdem unbedingt die Herausgabe des ungekürzten Gutachtens, um zu verhindern, dass der Händler etwaige für ihn ungünstige Inhalte zurückhält.
Ihre Rechte als Autokäufer bei Uneinigkeit über die Wertersatzhöhe
Regelmäßig wird der Autohändler seinen eigenen, nach den nun umschriebenen Grundsätzen zu berechnenden Anspruch auf Wertersatz gegen Ihren Rückzahlungsanspruch aufrechnen. Dies geschieht nach Maßgabe der §§ 387 ff. BGB. Folge dieser Aufrechnung ist, dass sich Ihr Rückzahlungsanspruch um den Betrag des dem Händler zustehenden Wertersatzes reduziert. Der Autohändler wird Ihnen also nur einen geringeren Betrag als den ursprünglichen Kaufpreis rückerstatten.
Sind Sie der Meinung, dass Ihr Autohändler zu hohe Abzüge einbehalten hat oder der aktuelle Marktwert des Fahrzeugs nicht korrekt berechnet wurde, bleibt Ihnen nach dem Versuch einer außergerichtlichen Klärung und Auseinandersetzung schlussendlich nur der Klageweg. Das heißt, Sie müssten den noch offenen, Ihnen Ihrer Ansicht nach noch zustehenden Betrag vom Händler einklagen. Gerichtsstand für eine solche Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises ist gemäß § 29 ZPO i.V.m. §§ 269, 270 BGB der Geschäftssitz des Händlers. Beträgt der von Ihnen begehrte Betrag unter 5.000 Euro, müssen Sie die Klage am Amtsgericht erheben, in dessen Bezirk sich das Autohaus befindet. Übersteigt der Betrag diese Grenze dagegen, ist das jeweilige Landgericht zuständig.
Nichtsdestotrotz möchten wir Ihnen Folgendes dringend empfehlen, wenn Sie einem Wertersatzanspruch Ihres Autohändlers oder einer Aufrechnung mit diesem erst gar nicht ausgesetzt sein wollen: Lassen Sie das gekaufte Fahrzeug erst dann zu, wenn die Widerrufsfrist von 14 Tagen abgelaufen ist oder Sie sich innerhalb dieser Frist wirklich sicher sind, dass Sie von Ihrem Widerrufsrecht tatsächlich nicht Gebrauch machen wollen und werden.